Autor von „Der Tod im Reisfeld“: Peter Scholl-Latour ist tot
Der streitbare wie umstrittene Journalist war bis zuletzt Gast in den Talkshows dieser Republik. Am Samstag starb er im Alter von 90 Jahren in Rhöndorf am Rhein.
BERLIN dpa/afp | Der Journalist und Buchautor Peter Scholl-Latour ist tot. Er starb Samstagfrüh im Alter von 90 Jahren nach schwerer Krankheit in Rhöndorf am Rhein, wie der Propyläen-Verlag in Berlin mitteilte.
Scholl-Latour war Regierungssprecher im Saarland, stern-Chefredakteur, Fernsehkorrespondent in Paris – doch am wohlsten fühlte er sich in Krisengebieten. Sein 1979 erschienenes Buch „Der Tod im Reisfeld“ über den Vietnam-Krieg wurde sein größter Erfolg. Als „letzter Welterklärer“, wie der Spiegel einmal schrieb, gab es wohl kaum eine Talk-Couch, auf der er nicht saß.
Scholl-Latour wurde am 9. März 1924 in Bochum geboren. Seine elsässische Mutter entkam als Jüdin knapp der Deportation. Er ging im schweizerischen Fribourg in ein Jesuitenkolleg. 1945 geriet er kurzzeitig in Gestapo-Haft. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges meldete er sich bei einer französischen Elite-Einheit und kämpfte als Fallschirmspringer in Indochina.
Seit 1950 als Journalist tätig, bereiste Scholl-Latour bis ins hohe Alter die Welt. Er berichtete aus dem Dschungel über den Vietnamkrieg, wurde Gefangener der Vietcong-Guerilla, zog mit den Mudschahedin durch Afghanistan.
Scholl-Latour galt als Nahost-Experte und veröffentlichte zahlreiche Sachbücher, in denen er die Beschreibung historischer Entwicklungslinien mit journalistischen Schilderungen verband – eine Arbeitsweise, die ihm oft genug Kritik und den Vorwurf der Vereinfachung eintrug.
Leser*innenkommentare
D.J.
Gast
Einer der wenigen fähigen Orientalisten in der deutschen Publikationslandschaft.
Dennoch war er m.E. schließlich zu lange im Fernsehen zu sehen. Seine Fakten waren stets korrekt, er war aber nicht mehr imstande, in Talkshows die Dinge so zu formulieren, dass ihm Nichtfachleute folgen konnten. Sie hingen ihm an den Lippen und bewunderten seine Weisheit (und wachsende Überheblichkeit), ohne ihm folgen zu können. Ein Phänomen.
Dennoch, wie gesagt, ein Großer.
Christoph Hillmick
An den Reaktionen sehe ich, dass ich eine Mindermeinung vertrete. Der Artikel war schnell dahinformuliert, doch an der Aussage, dass Scholl-Latour für die Atomwaffen eintrat ("die werden wir noch bitter brauchen", Zitat) halte ich fest.
Tupaq
Einer der wenigen _Journalisten, der offen seine Meinung sagt ungeachtet ob sie pc ist oder nicht und der mir seinen Warnungen (ob über Afghanistan, Irak, Syrien oder andwerswo) fast immer rechtbehalten hat. Leider haben unsere Medien und unsere Politik kaum auf ihn gehört.
Ein absoluter Kenner der islamischen Länder.
Schwer zu ersetzen.
Jean Noire
Möge er in Frieden ruhen, wie jeder andere Tote auch. Ich hoffe inständig, dass jetzt nicht zu viele seiner Beiträge wiederholt werden. Das braucht man wirklich nicht. Tendenz: reaktionär!
D.J.
Gast
@Jean Noire Es wäre schon fair, wenn Sie das Verdikt des Reaktionärs auch irgendwie begründen würden.
Lowandorder
Eine nunja altersweise Skizze
über einen eher erstaunlich
sturheil-unweisen
Eurozentristen.
Welterklärer?
- frauman mußte das nicht mögen.
D.J.
Gast
@Lowandorder Eurozentrist? In den letzten Jahren hat er doch immer und immer wieder das Ende der "Herrschaft des weißen Mannes" beschworen.
Lowandorder
frei nach Lessing -
von den Dingen, von denen man am meisten spricht -
hat's häufig am wenigsten;
hab ich ihm nie abgenommen.
(Minna von Barnhelm ~> Tellheim)
tommy
Toller Mann, ich habe ihn immer gerne gesehen. Sehr schade, dass er gegangen ist.
Christoph Hillmick
Fakten, Fakten, Fakten
Zum Tode von Peter Scholl-Latour
Ich bin kein großer Bewunderer von Scholl-Latour, habe aber seine Bücher nicht gelesen. Sie dürften sich jedoch nicht groß unterscheiden von seinen Fernsehauftritten. Mein Eindruck: Da kleister ein Journalist mit unbedeutenden Fakten ungebildete Fernsehkonsumenten zu. Es ist eine Form der Arroganz, ein Schutzpanzer, ein Zeichen für Schwäche. Doch was verbleibt, wenn man mal die unwichtigen Details wegfiltert? Ein militanter Kriegsbefürworter, der auch eine Vorliebe für Atomwaffen zeigt.
Na ja, andererseits war sein Fakten Fakten Fakten- Vortrag stets unterhaltsam, da man ihm nichts entgegnen konnte und er in den Laberrunden (Talkshows) immer sofort das Fleißkärtchen bekam. Wir trauern um einen semiprofessionellen Gegenwartshistoriker. Aber sind Historiker nicht alle so? Mein Bauchgefühl sagt mir, dass er von Wissenschaftlern ignoriert wird.
Tupaq
Da sind sie ja mit Frau Merkel in einem Boot:
Nichts gelesen haben, aber trotzdem ablehnen. Toller Standpunkt.
Waage69
"Bauchgefühl"!?!
Peter Scholl-Latour grinst sich gerade einen und denkt "...kein Arsch in der Hose aber La Paloma Pfeifen..."
H.-G-S
1. ich habe aber seine Bücher nicht gelesen.
2.auf seine Fakten nichts entgegnen konnte
3. Mein Bauchgefühl sagt mir
Fällt Ihnen an obiger Aufzählung auf, wie es um Ihre persönliche Qualifikation bestellt sein dürfte.
donnerwetter66
@Christoph Hillmick Sie sollten erstmal im Leben das leisten, was Herr Scholl Latour geleistet hat, bevor Sie hier arrogant über einen verstorbenen Menschen rumschwadronieren. Ich war auch nicht mit allen politischen Ansichten von Ihm einverstanden, habe aber großen Respekt vor seiner Lebensleistung. Zudem habe ich auch einige Bücher von ihm gelesen. Als Mensch war er zudem sehr bescheiden und authentisch. Ich habe ihn öfters in Bonn gesehen.
Jürgen Gerdom
Ich gebe Ihnen rundherum recht; so sehe ich das auch.
(Was ist eigentlich dieses "Bauchgefühl", das Gegenteil von "Kopfverstand"?)
Wolfgang Schulz
@Christoph Hillmick Irgendwie sagt mir nicht nur MEIN Bauchgefühl, Sie hätten mal besser Ihre Tastatur nicht für diesen Leserkommentar vergewaltigt. Ich hoffe, man findet bei Ihrem Verscheiden ähnlich einfühlsame Worte.
conny loggo
Gut der Mann. Immer das Zuhören und das Lesen wert.
Danke
Kegel
Liebe TAZ: Zum Tode von Peter Scholl-Latour:
Herzliches Beileid! Ein außergewöhnlicher Mensch mit Herz und Verstand