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Rechte Gesinnung in DeutschlandTröglitz ist kein Einzelfall

Anschläge mit rechtsradikalem Hintergrund gibt es bundesweit. In Sachsen-Anhalt sind ausländerfeindliche Einstellungen aber besonders verbreitet.

Schmierereien am 12.12.2014 in Vorra (Bayern), wo in der Vornacht auch Häuser brannten Bild: dpa

BERLIN taz | Ist Tröglitz überall? Das jedenfalls glaubt Reiner Haseloff. Am Wochenende besuchte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt die Ortschaft im Burgenlandkreis und nahm an einer Kundgebung für Toleranz teil. „Es handelt sich um ein bundesweites Problem“, sagte der Christdemokrat anschließend der Welt.

Auch in anderen Bundesländern habe es schließlich in jüngster Zeit Proteste gegen und Anschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte gegeben. „Wir müssen uns in der Bundesrepublik mit dieser unsäglichen Entwicklung auseinandersetzen“, forderte Haseloff.

Tatsächlich ist Tröglitz kein Einzelfall – und auch kein ostdeutsches Phänomen. So steckten im mittelfränkischen Vorra mutmaßlich Neonazis einen ehemaligen Gasthof, eine Scheune sowie ein nahe gelegenes Wohnhaus in Brand. Im Januar hatten rund 70 Flüchtlinge in die Gebäude einziehen sollen. An einer Wand fanden sich Hakenkreuzschmierereien und eine ausländerfeindliche Parole.

Anfang Februar brannte eine noch unbewohnte Flüchtlingsunterkunft im schleswig-holsteinischen Escheburg. Ein 38-jähriger Finanzbeamter hatte das Haus angezündet. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wollte er verhindern, dass in seiner unmittelbaren Nachbarschaft Flüchtlinge untergebracht werden. Der Prozess gegen den Mann, der ein Geständnis abgelegt hat, beginnt am 7. Mai vor dem Landgericht Lübeck.

Studie: Osten ist ausländerfeindlicher

Was allerdings die Situation in Ostdeutschland und speziell in Sachsen-Anhalt von der in Westdeutschland unterscheidet, ist das gesellschaftliche Umfeld, in dem solche Taten stattfindet. Darauf weisen jedenfalls die Ergebnisse sozialpsychologischen „Mitte“-Studie hin, in der Wissenschaftler der Uni Leipzig seit 2002 rechtsextreme Einstellungen in Deutschland untersuchen.

Nach der auf repräsentativen Befragungen basierenden aktuellen Studie von 2014 stimmten in Sachsen-Anhalt so viele wie sonst nirgends ausländerfeindlichen Einstellungen zu: 42,2 Prozent.

Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 24,3 Prozent. „Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit sind in Ostdeutschland noch immer häufiger zu beobachten als in Westdeutschland“, schreiben die Autoren. Weitgehend einig seien sich Ost und West aber in der Abwertung von Asylsuchenden. So lehnten 84,7 Prozent der Befragten in den neuen und 73,5 Prozent in den alten Ländern die Forderung ab, der Staat solle großzügig bei der Prüfung von Asylanträgen vorgehen.

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11 Kommentare

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  • Wenn man als Flüchtling nach Deutschland kommt, scheint man vom Regen in die Traufe zu kommen. Wie müssen diese Menschen sich fühlen angesichts des ihnen entgegenschlagenden Hasses.

  • Mir scheint die Hakenkreuzschmiererei von der selben Farbe zu sein wie auf dem Fachwerkgebälk.

     

    Aber was ist ein "Asylat"?

    Wo ist dieser Ausdruck üblich?

    • @Tecumseh:

      "Aber was ist ein "Asylat"?

      Wo ist dieser Ausdruck üblich?"

       

      Bei Menschen mit geringer schulischer Bildung vermutlich.

    • @Tecumseh:

      Die meinen damit wohl eine Unterkunft für Asylbewerber damit.

  • Typisch deutsche Namen - ohne Ironie:

    Schimanskie - Schimaniak - Schalkowski (eingedeutscht zu Schalke - Vorfahren meiner Oma) - Sarazzin - Lafontaine - Demirhan - Schäuble - El Gawhari - de Maizière (die aus Dankbarkeit allen Herren und Systemen zu Diensten waren - aber da gab es kaum eine Lücke!) - da Gamba (DDR-Eisdiele in Naumburg/S.) - Müller - Meier - Özil - Kohl - Strauß. Alle bestens integriert...

  • Es gibt in Deutschland keine wirkliche Offenheit gegenüber Zuwanderung und ganz besonders arme, schwache und verfolgte Zuwanderer werden abgelehnt.

     

    Die meisten Asylbewerber kommen nicht aus Spaß nach Deutschland, die haben schon Gründe oder eine Kombination von Gründen. Deutsche sind gute 300 Jahre nach Amerika ausgewandert - die hatten auch Gründe.

     

    Aber in den USA ist es nicht verboten aus wirtschaftlichen und anderen Gründen einzuwandern, es ist dort sogar erwünscht und gehört zur Kultur des Landes. Es ist explizit ein Einwanderungsland.

     

    Und Deutschland ist es eigentlich auch: Als man im vorletzten Jahrhundert einen großen Bedarf an Arbeitskräften im Ruhrgebiet hatte, war es auch egal, dass ein gutes Drittel dieser Menschen aus einem anderen Land (Polen) bzw. einer anderen Kultur kamen.

     

    Vergeßen ist auch, dass Berlin mal gute 30 bis 40 Prozent französische Einwanderer hatte, die sich auch nicht über Nacht zu Deutschen machen konnten.

     

    Eigentlich haben wir eine lange Tradition von Einwanderung und der Aufnahme von Flüchtlingen. Nur es wird selten darüber ausführlicher berichtet oder geschrieben, es wurde auch vergeßen. Tatsache ist aber, dass trotz solche massiven Wanderungsbewegungen Deutschland heute immer noch deutsch ist. Unser Land besitzt schon die Fähigkeit Einwanderer und Flüchtlinge zu integrieren.

  • Worin liegt bei einer korrekten Ausführung eines Asylverfahrens eine Abwertung von Asylsuchenden? "Großzügigkeit" ist Rechtsbeugung und führt schlussendlich zur Aushöhlung des Asylrechts.

    Asyl ist Menschenrecht! Wer aber nicht zu den Asylberechtigten zählt, der muss als Asylbewerber abgelehnt werden! Hier greift dann das Einwanderungsrecht.

    Leider hat sich die Bundesrepublik lange gegen eine klare Regelung für die Einwanderung gewehrt. Deutschland sei kein Einwanderungsland, lautete die falsche Begründung.

    • @Thomas Ebert:

      es geht in der mitte-studie nicht um die asylverfahren selbst, sondern um die vorstellungen, die sich die leutz hierzulande davon machen, wer ein "wirklich Verfolgter" sei und wer nicht. darauf bezieht sich "der Staat solle großzügig bei der Prüfung von Asylanträgen vorgehen"

      nachzulesen seite 63 der studie

      http://research.uni-leipzig.de/kredo/Mitte_Leipzig_Internet.pdf

       

      diese vorstellungen sind, auch hier im kommentariat, ziemlich eng. um nicht zu sagen kleinkariert, vulgo borniert. gefördert wurde+ wird diese borniertheit u.a. durch "sichere herkunftsländer", das dumme gerede von wirtschafts- und armutsflüchtlingen und sozialer hängematte und dergleichen. das ergebnis ist der weitverbreitete glaube, die leutz kämen allesamt nur aus daffke. das verständnis dafür, dass frau/mann nicht abwartet, bis mann/frau wirklich inhaftiert, gefoltert, erschossen wird, schwindet.

      stattdessen wird an asylsuchende die erwartung herangetragen - und das passiert auch in den asylverfahren! - sie hätten sich ja nicht exponieren müssen, hätten sich doch unauffällig verhalten können - schließlich schimpft der gute deutsche ja auch nicht offen+alleine auf seine diversen chefs oder so ähnlich.

    • @Thomas Ebert:

      Haben Sie schon mal irgendwas vom Wort "Entscheidungsspielraum" gehört?

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Sarrazin hat sein Hetz-Buch in ganz Deutschland verkauft, nicht nur in den neuen Bundesländern. Warum wohl?

  • "Chauvinismus und Ausländerfeindlichkeit sind in Ostdeutschland noch immer häufiger zu beobachten als in Westdeutschland“. Hm. Was, wenn man diesen Satz nun auf dem elften Wort betont, nicht auf dem Neunten? Dann wären die Anhalter keine besonders bösartigen Vertreter der Gattung Homo sapiens, sondern nur ein ganz klein wenig ehrlicher als andere Deutsche, wenn sie denn tatsächlich mal gefragt werden, was sie so denken. Vielleicht haben ja ganz einfach noch deutlich mehr Anhalter als Bayern oder Hessen das Gefühl, sie hätten nicht viel zu verlieren, wenn sie sich outen. Vor allem keinen guten Ruf...