Radfahrer in Berlin: Gefährliches Pflaster
Unachtsamkeit beim Abbiegen ist Hauptursache bei Fahrradunfällen, die manchmal auch – wie diese Woche – für die Fahrradfahrer tödlich enden
Innenspiegel, Außenspiegel, Blinker setzen, Schulterblick. So macht man es in der Fahrschule. Doch vor allem den letzten Punkt auf der To-do-Liste beim Abbiegen vergessen viele Autofahrer – für Fahrradfahrer oft verhängnisvoll. Am Mittwoch kam es in der Stadt zu drei schweren Fahrradunfällen. Davon endete einer tödlich. Ein Lastwagen hatte eine 39-jährige Fahrradfahrerin erfasst, als er von der Karl-Marx-Allee abbiegen wollte. Die Frau starb noch am Unfallort.
Nach Meinung des ADFC-Vorstandsmitglied Bernd Zanke sind solche Unfälle vor allem die Folge menschlichen Versagens. „Beim Abbiegen passieren die meisten Unfälle, bei denen schwächere Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer verletzt oder getötet werden.“ Die Autofahrer würden nur flüchtig in die Außenspiegel schauen, ein Schulterblick bliebe meistens aus, so Zanke. Außerdem müssten Radfahrer besser in den Straßenverkehr eingebunden werden: „Radfahrer sollten eine eigene Spur auf der Fahrbahn haben, die auch als solche mit Markierungen ausgewiesen ist.“
Dass das Abbiegen Unfallursache Nummer eins ist, bestätigt auch eine Statistik der Berliner Polizei. 2013 kam es zu insgesamt 1.387 Unfällen mit Fahrradfahrern, weil Autofahrer Fehler beim Abbiegen machten. Zum Vergleich: Nur knapp halb so viele Unfälle (631) gab es, weil Autofahrer die Vorfahrt von Radfahrern missachteten. Dass der wichtige Schulterblick oft ausbleibt, sieht Christian Burkhardt, Leiter der Sachbereichsgruppe Verkehrssicherheit, in der Bequemlichkeit der Verkehrsteilnehmer begründet. „Sie können dadurch eine potenzielle Gefahrenquelle für andere darstellen“, sagt er und appelliert an die Umsicht von Auto- und Lkw-Fahrern.
Für mehr Umsicht im räumlichen Sinne sollte 2007 auch eine neue EU-Richtlinie sorgen. Die besagt, dass die Außenspiegel aller in der EU zugelassenen schweren Lkws nachgerüstet werden müssen. Damit sollte der sogenannte tote Winkel verringert werden. „Zumindest rein technisch sind damit alle Vorgänge vor, hinter und neben dem Fahrzeug einsehbar“, meint Zanke. Berliner Polizei und ADFC sind sich einig: Das Problem sind fehlender gegenseitiger Respekt und die häufige Missachtung der Verkehrsregeln.
Deswegen führt die Polizei seit Anfang der Woche gezielte Kontrollen durch. Sie will Autofahrer wie auch Radfahrer so auf Fehler und mögliche Gefahrensituationen hinweisen. Man wolle ein gegenseitiges Verständnis erreichen, schließlich liege es ja im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, unfallfrei zu bleiben. Um die Wahrscheinlichkeit solcher Unfälle zu reduzieren, könne man nur immer wieder an die Menschen appellieren, so Burkhardt. „Der wichtigste Punkt ist, dass sich jeder auf die anderen besinnt und die Regeln beachtet. Damit wäre schon einiges getan.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren