Merkel und Seehofer im Sommerinterview: Anwesend abwesend

Angela Merkel und Horst Seehofer sind zurück aus der Sommerpause. Aber waren sie eigentlich wirklich weg? Olaf Scholz ist jedenfalls präsent.

Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Horst Seehofer, Finanzminister Olaf Scholz

Die Sommerpause ist vorbei: Merkel, Seehofer und Scholz sind auch wieder da Foto: reuters

BERLIN taz | Angela Merkel sitzt wie selbstverständlich da, mit blauem Blazer, den umständlichen Sätzen, dem verbindlichen Ton. Das ARD-Interview beendet offiziell die Sommerpause. War sie, die ewige Kanzlerin, eigentlich wirklich weg?

Der 20-Minuten Auftritt ist Merkel pur, professionell, sattelfest in jedem Thema von der Rente bis zur sächsischen Polizei, von der Dienstpflicht-Debatte über das Einwanderungsgesetz für Fachkräfte bis zum Kohleausstieg. Sie verteidigt – für ihre Verhältnisse energisch – die Unabhängigkeit der Gerichte wegen des Falls Sami A. Der CDU-Innenminister in NRW hatte Richtern geraten, gefälligst so zu urteilen, dass es dem Rechtsempfinden des Volkes entspricht. Ein Satz, der den Weg in die postdemokratische Hölle öffnet. „Wenn die Unabhängigkeit der Institutionen nicht gewahrt wird, dann wäre die Demokratie nicht mehr vollständig“, sagt die Kanzlerin. Von Merkelistisch ins Deutsche übersetzt heißt das wohl: So auf keinen Fall.

Merkel strahlt in Grundsatzfragen etwas Ziviles aus – und zwar, nunja, deutlicher als zu Beginn ihrer Kanzlerschaft. Zur von der CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer inszenierten Debatte um eine Dienstpflicht für Jüngere, die die vernachlässigten konservativen Werte bedienen soll, merkt die Kanzlerin an, es sei ja noch nicht mal genug Geld für jene da, die freiwillig ein soziales Jahr machen wollen. In der Disziplin, forsche Initiativen in Watte laufen zu lassen, ist sie schwer zu schlagen.

Die Nachricht aus diesem Interview lautet: Merkel tritt der SPD beim Thema Rente vor das Schienbein. Olaf Scholz will – einer etwas plötzlichen Eingebung folgend – das Rentenniveau bis 2040 garantieren, ohne das Rentenalter zu erhöhen. Die SPD solle „bitte keine Unsicherheit bei der Rente schüren“, so Merkel. Das vertauscht die Rolle: Scholz, der Rentenretter, wird zum unsoliden Parteipolitiker, der aus Wahlkampfkalkül Unsicherheit schürt. Das hat die Kanzlerin so nicht über ihren Vize gesagt. Aber irgendwie doch.

Auch Seehofer ist zurück

Auch Horst Seehofer ist zurück. Das ZDF hat ihn auf einen Sportplatz in Ingolstadt platziert, wo der Innenmister in jungen Jahren mal Handball gespielt hat. Vielleicht hilft so etwas im bayerischen Wahlkampf. Allerdings bleibt dieses Setting erstaunlich anekdotenfrei. Denn mehr als das – hier hat der Innenminister Handball gespielt – ist nicht zu erfahren.

Dafür eiserne Wahrheiten: „Migration ist die wichtigste Frage für ganz Deutschland“, sagt Seehofer. Alle Meinungsfragen zeigen, dass die BürgerInnen Rente und Bildung viel wichtiger finden. Seehofer irritiert das nicht. Den Zoff um die Flüchtlingspolitik, den er vom Zaun brach, hat der AfD genutzt und liberale CSUler in Bayern Richtung Grüne vertrieben. Doch Seehofer beteuert, er würde „alles wieder genau so machen“.

Seehofer benutzt bei der Rente die gleichen Worte wie Merkel (die SPD „verunsichere die Bürger“), aber ihn bewegt nur Flüchtlingspolitik. Beim BAMF-Skandal, der keiner war, sei er „gejagt worden“, als er Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen wollte, sei er als „Nazi und Terrorist“ beschimpft worden. Die verfolgte Unschuld. Vielleicht ist das schon die Legende für den Fall, dass Seehofer nach der Niederlage der CSU in Bayern gefeuert wird. Merkel vermeidet es übrigens, sich selbst als Opfer zu inszenieren.

Scholz ist sonnengebräunt

Olaf Scholz dagegen sitzt Sonntagnachmittag sonnengebräunt und mit offenem Hemdkragen in der Bundespressekonferenz. Es der Tag der offenen Tür – BürgerInnen, nicht Journalisten stellen die Fragen. Vor allem zur Rente. „Wer mit 17 Jahren beginnt und 50 Jahre arbeitet“ müsse auch in Zukunft sicher sein, eine ausreichende Rente zu bekommen, so Scholz. Er bekennt sich nebenbei zum Keynesianismus (jetzt sparen, in der Krise, wie 2008, Geld ausgeben). Für rechte Sozialdemokraten wie Scholz ist alles Bekenntnishafte eigentlich unstatthaft, Pragmatismus geht ja über alles.

Vom Typus her ähnelt er Merkel: sachlich, kühl, ein Verwalter mit ausgeprägtem Hang zu Allgemeinplätzen. Mit dem Versprechen, die Renten bis 2040 auf dem jetzigen Niveau zu halten, geht Scholz, der Risikoscheue, ein Risiko ein. Er wirkt, anders als Merkel und Seehofer, anders als vor der Sommerpause, lebendiger, aufgeräumter.

SPD-Politiker gehen oft als überzeugte Sozialdemokraten in die Regierung und kommen als Technokraten wieder heraus. Will Scholz der erste sein, der als Technokrat in Regierung geht und als Minister zum Sozialdemokraten wird? Eine schöne Geschichte. Vielleicht zu schön, um sie zu glauben. Falls Scholz damit ernst macht, wird das Ärger mit Merkel geben. In der Disziplin, forsche Initiativen in Watte laufen zu lassen, ist sie schwer zu schlagen.

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