piwik no script img

Kommentar Rassismus in DeutschlandBürger, Biedermänner, Brandstifter

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Nicht Fremde sind es, die dieses Land bedrohen, sondern Einheimische, die ihren Hass auf die Straßen tragen. Sie unterhöhlen die Demokratie.

Eher besorgniserregend denn besorgt: Es sind die vermeintlichen „Bürger“, die die Demokratie bedrohen Foto: ap

D ie Furcht vor den Fremden ist ein Phänomen, das nicht vor Grenzen haltmacht. In Ungarn applaudieren viele Menschen der Politik von Viktor Orbán. In Wien hat die FPÖ bei den jüngsten Wahlen einen neuen Rekord einfahren dürfen. Gewählt worden sind die Rechtspopulisten dort in den Vorstädten von vermeintlich braven Bürgern. Fast überall in Deutschland haben Fremdenfeinde in jüngster Zeit Flüchtlingsheime in Brand gesetzt. Die Täter sind offenbar weniger ideologisch gefestigte Neonazis als vielmehr Nachbarn von nebenan.

Doch während die Fremdenfeinde im Westen der Bundesrepublik ihren Rassismus hinter vorgezogenen Gardinen verborgen halten, ist in den ostdeutschen Bundesländern zu beobachten, dass Menschen sich in großer Zahl zu ihren rassistischen Vorstellungen bekennen. Sie treten öffentlich auf und verbreiten offen ihre Hassparolen. Sie dominieren die Debatten in den Fußgängerzonen. Und sie zeigen immer weniger Berührungsängste gegenüber bekennenden Rechtsradikalen.

Neonazis kann man allerdings, wenn sie Straftaten begehen, einsperren. Die NS-nostalgischen ideologischen Versatzstücke in ihren Köpfen sind zwar zum Fürchten, aber doch nirgendwo mehrheitsfähig. Sie sind gefährlich, aber sie bilden keine Gefahr für die Demokratie.

Die „besorgten Bürger“ im Osten Deutschlands dagegen beginnen unsere Gesellschaftsordnung zu bedrohen. Sie unterhöhlen mit immer aggressiverem Vorgehen die Demokratie. Wer mag noch Bürgermeister werden, wenn die Gefahr droht, demnächst von diesen sogenannten Wutbürgern persönlichen Besuch zu erhalten? Wer wagt es noch, vor einer für Flüchtlinge vorgesehene Turnhalle dort demonstrierenden aggressiven Fremdenfeinden Kontra zu geben?

Nicht die Fremden bedrohen dieses Land, sondern diese Einheimischen. Es existiert kein Patentrezept, um sie zu isolieren. Es helfen weder Dachlatten noch salbungsvolle Worte. Natürlich ist es legitim, die Problematik der hohen Flüchtlingszahl zu diskutieren. Was aber ganz gewiss nichts nützt, ist, die Fremdenfeinde für gesellschaftsfähig zu erachten und ihren Forderungen auch nur ein Jota nachzugeben.

Wer glaubt, ein paar weniger Asylsuchende in Pirna, Heidenau oder Dresden würden deeskalierend wirken, verkennt, dass es den Fremdenfeinden nicht um Kompromisse geht. Weder wollen diese einen Kompromiss noch sind deren Ansichten kompromissfähig. Sie wollen den autoritären Staat.

So verführerisch die Vorstellung eines Entgegenkommens manchen Politikern in der Hoffnung auf neue Wählerstimmen erscheinen mag: Es wäre der Anfang vom Ende dieser liberal geprägten Demokratie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Wirklich eine Bedrohung oder vielmehr Symptom der liberal-bürgerlichen Demokratie? Der Mob der Pogrombürger ist ja nicht plötzlich vom Himmel gefallen, sondern er ist Ausdruck jahrelanger rassistischer Praxis in Medien und Politik.

     

    Der ekelhafte rassistische Mob hat eine üble Vorgeschichte. Egal ob Sarrazin oder Buschkowsky oder Seehofer oder Bild-Zeitung oder Verschärfung der Asylgesetze durch SPD und CDU/CSU oder rassistische Polizeigewalt gegen Flüchtlinge: der Rassismus ist tief in der bürgerlichen Demokratie und deren Institutionen verwurzelt.

     

    Der rassistische Mob ist also keine Antithese zur bürgerlichen Demokratie, wie der Autor des Artikels annimmt, sondern vielmehr Symptom für die mangelhafte bis fehlende demokratische Qualität der bürgerlichen Fassadendemokratie, die sich darauf beschränkt formal und nominell "demokratisch" zu sein, aber in Wahrheit nur den staatlichen Rahmen für die alltägliche Gewalt der kapitalistischen Verhältnisse setzt.

  • Au weia – peinlich, peinlich!

    Hoffentlich liest keiner, der Max Frisch’s Drama: „Bürger Biedermann und die Branstifter“ kennt, die Überschrift dieses Beitrags!

     

    Warum hat sich Herr Hillebrand nicht wenigstens erst mal bei Wikipedia informiert? Denn dieses Stück „. . . handelt von einem Bürger namens Biedermann, der zwei Brandstifter in sein Haus aufnimmt, obwohl sie von Anfang an erkennen lassen, dass sie es anzünden werden“ – Wow!

     

    Nun kann man spekulieren, welche Schlussfolgerungen überdurchschnittlich gebildete Pegida-Anhänger zur Gegenwart ziehen werden. Hatte das Herr Hillenbrand beabsichtigt?

     

    Jedenfalls hat er mit der Überschrift zu diesem Beitrag seiner Sache einen Bärendienst erwiesen!

     

    Nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Biedermann_und_die_Brandstifter

  • Rassismus und völkische Gesinnung sind Übel, die konsequent und mit allen Mitteln bekämpft gehören, aber: Daran zerbricht unsere Gesellschaft nicht!

     

    Unseres Gesellschaft, also das, was an Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Solidarität und gesellschaftlichem Zusammenhalt noch davon übrig ist, zerbricht am neoliberalen Irrweg. Die hässlichen Fratzen von Rassismus und Xenophobie sind dabei nur Randerscheinungen.

     

    Ja, es gab in Deutschland nach 1945 keine wirkliche geistige Erneuerung; man sah sich als Opfer und man sah die hinlänglich bekannten Mordtäter in neuen Karrierepositionen, auch und gerade in Bildung und Politik. Neidkultur und Ab- bzw. Ausgrenzungsverhalten prägten unsere Gesellschaft schon immer, aber nur in Extremsituationen wie der Not der Weimarer Zeit oder jetzt, nach 25 Jahren gescheitertem Aufbau Ost und 17 Jahren neoliberalem Durchmarsch kommt es erwartungsgemäß zu solchen Ausfällen.

     

    Eine Analyse muss den klassistischen Standpunkt der heutigen grünen und linksliberalen Szene verlassen und sich wieder dem klassischen soziologischen Handwerkszeug zuwenden. Dann werden wir erkennen, dass diese rassistischen Auswüchse keinesfalls nur ein paar hässliche Flecken auf einer ansonsten sauberen Demokratie sind, sondern Ausdruck einer durch und durch kranken Gesellschaft am Vorabend zu noch viel schlimmeren Zeiten.

  • Ja, Klaus Hillenbrand spricht wahre Wort. Mittlerweile erhalte ich schon per eMail feindliche Mitteilungen auf meine TAZ-Kommentare zu rassistischen Themen.

     

    Ich bin grundsätzlich tolerant und bereit zu Konzessionen. Aber bei dem völkischen Gedankengut, das sich mittlerweile ungehemmt Bahn bricht, sind meine Toleranzschwellen bereits überschritten. Mit Rassisten und ewig Gestrigen kann man nicht diskutieren. Kompromisse legen sie noch als Schwäche aus.

     

    Die Politiker, die noch meinen, sie könnten den tief verwurzelten nationalsozialisten Geist vieler Mitbürger mit Nachsicht begegnen oder sogar aus ihm Nutzen beziehen, sind total auf dem Holzweg.

     

    Es zeichnet sich eine unversöhnliche Spaltung der Gesellschaft ab, die zu einer Art von Bürgerkrieg ausarten kann, wenn sich noch ein paar Funken entzünden.

     

    Deshalb sind die Teile der Gesellschaft, die sich noch auf seiten des Rechtstaates, der Demokratie und des humanistischen Geistes befinden, zur Gegenwehr aufgerufen. Mittlerweile genügt kein reines verbales Einschreiten mehr - da muß radikaler vorgegangen werden!

    • @Peter A. Weber:

      Als Kind der 70er kann ich mich noch erinnern, wie schnell man seinerzeit unter den Verdacht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung kam.

      Ein wenig davon wäre jetzt wohl auch gegen die Aufwiegler und Hassprediger heutiger Tage angebracht.

      Brennende Heime und eine getretene Verfassung sind keine Alltags-Kriminalität, sie sind Anschläge auf unser GG und die christlichen, europäischen Werte. Also Terror(ismus).

    • @Peter A. Weber:

      "Ich bin grundsätzlich tolerant". Tolerieren bedeutet, jemanden dulden. Ich stelle mich also über ihn. Völkisches Gedankengut wird nicht toleriert. Also stehst Du mit diesem Gedankengut auf einer Stufe. Unsere Sprache ist so rein und eindeutig. Wir lassen uns das "Neusprech" aufdrängen und verdrehen somit deren Bedeutung. Mit dieswem "Neusprech" wird Hass versprüht. Wir brauchen keine Ausländer, um uns zu zu zerstören, wir schaffen das wunderbar selbst.

  • Eine etwas seltsame Betrachtung von Demokratie kommt hier zum Tragen. Als ob nur "edle" Menschen das Recht auf Mitwirkung hätten. Und wer "edel" genug ist, bestimmt der Zeitgeist. Das kann mal ein sehr nationaler Zeitgeist sein, der von 33-45 der Meinung war, man müsse das dt. Blut verteidigen, das war zu anderen Zeiten ein sehr verschiedener Zeitgeist im Westen und im Osten und heute ist es zum Glück so, dass wir eine relativ weit aufgefächerte Demokratie haben, von Linkspartei bis AFD dürften alle Parteien sich noch (knapp) im demokratischen Spektrum befinden. Wenn einem großen Teil der Bevölkerung die Mitsprache abgesprochen wird, kann man die Demokratie auch gleich ganz abschaffen. Und es gibt diese Menschen nun mal, in allen europäischen Staaten. Der Versuch, sie mundtot zu machen, dürfte sie eher stärken als schwächen, weil das ja gerade eines ihrer Lieblingsargumente ist, dass man "in Deutschland die Wahrheit nicht mehr sagen darf". Soll man sie darin auch noch bestätigen? (Wobei es nicht "die Wahrheit" ist, aber ihre subjektiv empfundene Wahrheit).

  • Richtig ist es, dass wir die Augen vor rechter Gewalt nicht verschliessen!

    Falsch ist es die Probleme, die sich aus der Krise ergeben, zu unterschätzen!

    Der Artikel offenbart eine erschreckende Blindheit auf dem anderen Auge!

  • Word!

  • Es scheint für die Masse der Journalisten gar nicht mehr möglich, sich vorzustellen, dass die Wirklichkeit nicht schwarz und weiß sondern meist grau ist (oder eben bunt). Sprich, es das Leben spielt sich irgendwo dazwischen ab:

     

    Es gibt in diesem Land nicht entweder Nazi oder Gutmensch. Die überwiegende Mehrheit ist weder das eine noch das andere: Sie ist sogar ziemlich strikt gegen Nazis (man erkennt das leicht an den Wahlergebnissen) und sie ist (wie neuste Umfragen zeigen) zugleich gegen einen unregulierten Zuzug.

     

    Ich verstehe nicht, wieso das so schwer zu begreifen ist.

     

    Die Merkelsche "Politik" (jeder, der ins Land kommt, erhält ungeprüft Unterkunft, medizinische Versorgung, Taschengeld etc.) vertrat vor Jahren höchstens einmal die linksradikale MLPD. (Und die konnte vieles vertreten, sie wurde ja eh nie gewählt.)

     

    Das Schräge an der Sache ist doch: Wäre Merkel in der Opposition und die SPD würde ihre jetzige Politik machen, dann wäre sie ihre schärftste Gegnerin und die SPD würde ganz ganz schnell ihre Position verlassen.

     

    Das, was sie jetzt gerade tut (oder eben unterlässt), hat viel mit Machtpoltik zu tun und nichts mit Humanität. Wie sollte man sonst erklären, dass wir heuer doppelt so viele Waffen ins Ausland verkaufen als im Vorjahr?

     

    Wann, so frage ich mich langsam, wird hierzulande der Diskurs wieder vernünftig geführt. Oder ist Hysterie mittlerweile eine deutsche Krankheit? (Man weiß ja noch nicht einmal, ob so ein harmloser Leserbrief wie dieser überhaupt noch abgedruckt wird!)