Aufhebung von Ramelows Immunität: Beschämend für das Abendland
Die Dresdner Justiz geht gegen Ministerpräsident Ramelow vor, weil er eine Nazi-Demo blockiert haben soll. Die Einschüchterung hat Methode.
Die Welt steht kurz vor dem Untergang, besonders akut ist die Gefahr im Osten Deutschlands. Wer das noch nicht wusste, muss nur nach Sachsen schauen und nach Thüringen. In Dresden gehen die selbsternannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße, die Pegida-Bewegung, wie sie sich selbst nennt.
Neben dem vorbestraften Hauptorganisator Lutz Bachmann laufen bekannte Rechtsextreme auf, aber auch viele, die bislang nicht mit dieser Haltung aufgefallen wären. Mehr als zehntausend Menschen waren es am Montag.
Weltuntergangsstimmung auch in Thüringen. Die Tatsache, dass mit Bodo Ramelow ein Politiker der Linkspartei, wenn auch ein ziemlich pragmatischer Wessi, zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, ließ Hunderte Menschen mit Fackeln durch die Straßen Erfurts ziehen.
Und jetzt – Thüringen scheint noch ganz beschaulich zu existieren – kommt die Dresdner Justiz ins Spiel. Sie will Ramelow den Prozess machen, wegen „Sprengung einer Versammlung“. Die sächsischen Verhältnisse sind wieder da.
Eigentlich wegen Geringfügigkeit eingestellt
Das Amtsgericht Dresden, so wurde nun bekannt, hat am 3. Dezember, also ausgerechnet kurz vor Ramelows Wahl, um die Aufhebung seiner Immunität gebeten. Es geht um einen Fall, der eigentlich schon abgehakt war. Er begann am 13. Februar 2010 in Dresden. Damals marschierten Neonazis der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ in der sächsischen Landeshauptstadt auf.
Rund 12.000 Gegendemonstranten stellten sich ihnen entgegen, auch Ramelow, damals noch Linken-Fraktionsvorsitzender. Er soll, so die Staatsanwaltschaft, die friedliche Blockade der Neonazi-Demo mitorganisiert haben. Schon einmal war deshalb seine Immunität aufgehoben worden. Auch andere Linken-Politiker wurden angeklagt.
Obwohl Ramelow einen Strafbefehl von 20 Tagessätzen à 170 Euro nicht akzeptierte, wurde im April dieses Jahres das Verfahren eingestellt – wegen Geringfügigkeit. Seine Anwaltskosten sollte Ramelow allerdings selbst bezahlen, was er nicht einsah und wogegen er Rechtsmittel einlegte. Er sei damals als Vermittler aufgetreten, sagt er. Ramelow will sich nicht einschüchtern lassen – schon gar nicht von den Nachbarn im Osten.
Die sächsische Einschüchterung hat Methode. Mehrere Antifaschisten wurden schon vor Gericht gezerrt, weil sie angeblich Nazi-Kundgebungen blockierten oder zu Gewalt aufriefen. Der prominenteste Angeklagte: der evangelische Jugendpfarrer Lothar König aus Jena. Er soll bei der Anti-Nazi-Demo im Februar 2011 Gegendemonstranten aufgestachelt haben und zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben.
Sächsische Justiz ist hartnäckig
Die Anklageschrift gegen König war auf Lügen aufgebaut. Als seine Verteidiger vor Gericht Videos präsentierten, die die Aussagen von Polizisten ins Absurde verkehrten, platzte der Prozess im Juli 2013 – zunächst. Aber die sächsische Justiz gab nicht auf. Das Amtsgericht Dresden setzte die Hauptverhandlung neu an – um dann doch das Verfahren in diesem November gegen eine Geldauflage einzustellen.
Ob die Hauptverhandlung gegen Ramelow eröffnet wird, wurde noch nicht entschieden. Das kann erst passieren, wenn seine Immunität aufgehoben worden ist oder wenn er aus dem Landtag ausscheidet – das hat Ramelow bereits angekündigt, weil er als Regierungschef nicht gleichzeitig im Parlament sitzen möchte. Das Gericht könnte sich aber auch einfach besinnen und der Justizkasse die Verfahrenskosten auferlegen. Das sollte es auch schleunigst tun. Denn die Welt geht zwar nicht unter, wenn Ramelow in Dresden vor Gericht erscheinen muss. Aber es wäre beschämend für unser ach so fortschrittliches Abendland.
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