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Amnesty über syrische GefängnisseSchwere Folter, knapp 18.000 Tote

Ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigt, wie grausam in den Knästen des syrischen Regimes gefoltert wird.

Ein Gefängnis in Aleppo. Der Bericht stützt sich auf die Aussagen von 65 früheren Insassen syrischer Haftanstalten Foto: dpa

Damaskus dpa | Seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs vor mehr als fünf Jahren sind in den Gefängnissen des Regimes laut Menschenrechtlern fast 18.000 Menschen ums Leben gekommen. Die Häftlinge seien dort vom ersten Moment an schwerer Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Sie warf Damaskus Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor und forderte, die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.

Der Bericht stützt sich auf die Aussagen von 65 früheren Häftlingen in syrischen Gefängnissen. Der „Katalog von Horrorgeschichten“ zeige in „grausamen Details die fürchterliche Misshandlung von Insassen“, erklärte Amnestys Nahost-Direktor Philip Luther. Folter sei Teil von systematischen und weit verbreiteten Übergriffen gegen jeden, der unter dem Verdacht stehe, gegen die Regierung zu sein.

Gefangene berichteten etwa über ein Ritual, das sie als „Willkommensparty“ bezeichneten. Dazu gehörten heftige Schläge mit Knüppeln oder Kabeln. „Sie behandelten uns wie Tiere. Sie wollten, dass die Menschen so unmenschlich wie möglich sind“, erzählte einer der Überlebenden. Andere erklärten, dass sie mit Elektroschocks gefoltert oder ihnen die Fingernägel herausgerissen worden seien. Zudem gab es Berichte, dass Gefangene in völlig überfüllten Zellen neben Leichen schlafen mussten. Das deckt sich mit früheren Berichten von Häftlingen, die aus syrischen Gefängnissen freikamen.

Amnesty beziffert die Zahl der Toten seit Beginn des Bürgerkriegs im März 2011 auf 17.723. Durchschnittlich kämen pro Monat in Gefängnissen der Regierung 300 Menschen ums Leben. Dabei handele es sich um eine konservative Schätzung. Da Zehntausende in den syrischen Gefängnissen verschwunden seien, sei die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher.

Amnesty rief Deutschland und die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf Syrien zu erhöhen, damit alle gewaltlosen politischen Gefangenen sofort freigelassen sowie Folter und Misshandlungen eingestellt werden.

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16 Kommentare

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  • Ich bin erstaunt darüber wie wenig all jene hier, die eine breitere Berichterstattung über Folter im westlichen Dunstkreis einfordern, die Arbeit von Amnesty International kennen. Leute, die Berichte existieren und sind ratzfatz auffindbar!

  • Für mich gibt es keine Zweifel daran, daß Assad ein grausamer Diktator ist, der in seinen Gefängnissen Menschen foltern läßt. Als AI-Mitglied ist mir dies schon lange bekannt. Eine breitere Öffentlichkeit erfuhr davon, als bekannt wurde, daß die CIA nach 9/11 Terror-Verdächtige im Zuge von "extraordinary renditions" zur "Befragung" in verbündete Folterstaaten bringen ließ - unter anderem nach jenem Syrien, welches vom Assad-Regime regiert wird. Auch BND-Beamte haben damals Befragungen in Syrien beigewohnt. - Es ist übrigens mittlerweile allgemein anerkannt, daß Folter NIEMALS der Wahrheitsfindung dient, sondern dazu, Gefangene zu brechen und zu erwünschten Aussagen zu zwingen: "Ja, wir haben den Anschlag auf die Twin-Towers geplant." Genau diese Aussage will die CIA nach vielmaligem "Waterboarding" von Khaled Sheikh Mohammed erhalten haben. - Es gehört zu den Lügen imperialistischer Politik und ihrer willfährigen Presse, das eine heute anzuprangern, ohne das andere auch nur zu erwähnen.

  • "....„Willkommensparty“ bezeichneten. Dazu gehörten heftige Schläge mit Knüppeln oder Kabeln. „Sie behandelten uns wie Tiere. Sie wollten, dass die Menschen so unmenschlich wie möglich sind“, erzählte einer der Überlebenden. Andere erklärten, dass sie mit Elektroschocks gefoltert oder ihnen die Fingernägel herausgerissen worden seien."

     

    Hat der Assad sich in Guantanamo und Abu Ghraib zeigen lassen, wie man so was macht?

  • 3G
    33641 (Profil gelöscht)

    Jedes Gefängnis ist eine Menschenrechtsverletzung. Im Knast wird man erst richtig zum Kriminellen.

    • @33641 (Profil gelöscht):

      Ich schätze mal diese Aussage gilt nicht für Hoeness. Der ist ja "reich" - da kann man kaum den Opfermythos eines ach so unterdrückenden Systems jodeln.

      • 3G
        33641 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        "Ein ach so unterdrückendes System" - Während des Dritten Reiches wollte auch keiner eine Ahnung haben, in was für einem ach so unterdrückendem System er lebte.

        • @33641 (Profil gelöscht):

          ???

          Sie verstehen offensichtlich den Zusammenhang nicht.

          Wie auch immer wer ernsthaft die Bundesrepublik mit dem NS--Reich vergleicht hat sich für eine Diskussion bereits disqualifiziert.

           

          Da bringt mehr mit nem AFD-ler über Zuwanderung zu diskutieren.

  • Wir schauen ja auch seit 5 Jahren zu und diskutieren lieber über die Verfehlungen anderer.

     

    Wie auch immer. Es werden noch mehr auf die selbe Art sterben. Die Amis greifen nicht ein, die Russen helfen Assad zu gewinnen und Assad selbst jucken UN-Resolitionen nen Scheiß.

    Und aus "Europa" kann man auch nicht mehr als ein paar warme W

  • Das ist eine relativ kleine Zahl ueber 5 Jahre wenn man beruecksichtigt das der Westen/Nato etwa 200.000 Rebellen/Terroristen gegen den syrischen Staat organisiert hat.Sie wurden ausgebildet,bewaffnet+finanziert.Schliesslich befindet das Land sich im Krieg wenn es andere Gesetze gibt wie Kollaboration,Desertion,Kriegsrecht,usw.

  • Genau das brachte so viele tausende Menschen noch mehr in Wut als die bisherige Unterdrückung bis 2011:

    wie den Jungen, die eine Graffiti an die Wand schrieben im Knast die Fingernägel ausgerissen wurden, wie die Eltern des 15jährigen Hamza am 28.04.2011 die verstümmelte Leiche ihres Sohnes zurück bekamen.

    Die Grausamkeit des Regimes, das immer nur den ethnokonfessionellen Gegensatz zu schüren kannte, auch wenn die Massenproteste sich immer wieder erneut um Einigkeit bemühten.

     

    Es ist schlimm, wie taz-Leser Diktaturen und Krieg relativieren, nur weil sie gerade die anderen vielen Artikel über Folter und Krieg der USA nicht lesen.

    Syriens Regime war und ist bis heute mit den westlichen Ländern verbündet.

    Niemand will das Assad-Regime stürzen, außer der Bevölkerung dort. Das ist ja das schlimme.

    • 3G
      33641 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Eigentlich ist Syrien ja mit Russland verbündet.

  • Dieser Artikel ist einmal mehr ein Beleg dafür, wie die TAZ ihre einstmals unabhängige und pluralistische Haltung verliert und die Atlantikbrücke zur Kommandobrücke gemacht hat.

  • Hier eine Meldung aus der Zeit. Zur neutralen Berichterstattung sollte auch darauf hingewiesen werden:

    Syrische US-Verbündete an Kriegsverbrechen beteiligt

    Entführungen, Folter und Hinrichtungen: Amnesty International hat die Gewaltexzesse syrischer Rebellen dokumentiert. Einige Gruppen werden auch von den USA unterstützt.

    Ich denke, die TAZ ist daran interessiert?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Medienkritiker:

      Sind die USA nicht an einer Schweinerei beteiligt, hat sie nicht stattgefunden. Die Russen bombardieren täglich Zivilisten und Krankenhäuser.

       

      Würden die USA dasselbe tun, die taz und ihr Forum würden überschäumen vor Empörung und Hass.

  • Folter ist scheiße. Aber weshalb kommt kein Bericht gleicher Größe über Folter in den mit den USA befreundeten Staaten. Über Menschen die zum Foltern aus Nato Staaten unter anderem sogar zu Gaddafi geflogen wurden. Über BND Agenten die neben den Folterräumen sitzend Aufnahmen und Aufschrieben was Gefolterte von sich gaben. Ein Schelm der sich Gedanken darüber macht?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @conny loggo:

      Da haben Sie recht. Es gab noch nie und nirgends einen Bericht über Folter und und unmenschliche Behandlung in Staaten, die Gefolgsleute der USA sind.