40 Jahre taz: Der Frauenstreik 1980: Die nackte historische Wahrheit
Der größte Exportschlager der taz war die Frauenquote. Sie wurde nach einem einwöchigen Streik der Frauen 1980 beschlossen.
Im November 1980 stand die taz ökonomisch kurz vor dem Untergang, überall tobte das Chaos. Alle waren für alles zuständig, also fühlte sich niemand verantwortlich, in ungespülten Kaffeetassen entwickelten sich die schönsten Schimmelkulturen.
Ebenso unkontrolliert wucherten seltsame Texte und Bilder ins Blatt, unter anderem von einem gewissen „Gernot Gailer“, der in drastischen Worten sein Begehren nach sexueller Unterwerfung diverser Damen beschrieb. Wenig später „ergänzt“ durch einen Leserbriefredakteur, der einen sadomasochistischen Comic veröffentlichte. Aus Protest traten wir taz-Frauen in den Streik – eine Woche lang.
In der Redaktion fiel das gar nicht so auf, dort waren Frauen eine Minderheit. Hart aber traf es Satz, Layout, Fotoredaktion, Reproabteilung und Vertrieb, wo jeweils eine Mehrheit fleißiger Fräuleins am Werk war. Die taz-Männer, die überall einspringen mussten, krochen binnen kurzem auf den Brustwarzen.
Wir Frauen diskutierten derweil in der Wohnung von Sozialredakteurin Gitti Hentschel unsere Forderungen: Einführung klarer Verantwortlichkeiten statt wilder Plenardemokratie. Vetorecht der Frauen bei Texten und Bildern, die weibliche Sexualität betrafen. Und: 52 Prozent aller Stellen für Frauen. Frauenquote? Dafür gab es damals keinerlei historisches Vorbild; wer von uns auf die Idee kam, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. 52 statt 50 Prozent? Das entsprach der realen weiblichen Mehrheit in der Bevölkerung.
Am 27. September 1978 erschien die erste sogenannte Nullnummer der taz. Es gab noch keine tägliche Ausgabe, aber einen kleinen Vorgeschmack auf das, was die Abonnent*innen der ersten Stunde von der „Tageszeitung“ erwarten können. Die erste Nullnummer können Sie sich
.In Erinnerung an die allererste taz-Ausgabe haben die taz-Gründer*innen am 26. September das Ruder übernommen und die Printausgabe der taz vom 27. September 2018 produziert. Dieser Text stammt aus unserer Gründer*innen-Sonderausgabe.
Am Samstag, den 15. November, stellten wir dem obersten Basisorgan, dem Mitarbeiterplenum, unsere Forderungen vor. Eisige Ablehnung schlug uns entgegen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ein Anzeigenakquisiteur uns provozierte: „Ihr seid doch nur prüde!“ Wir wussten, dass das kommt, wir hatten uns vorbereitet. Kollektiv zogen wir Pullover und T-Shirts aus und ließen nackte Brüste hüpfen. Verblüffung. Schweigen. Eine Frau fing an zu lachen. Dann alle anderen. Redakteur Thomas Hartmann verschwand kurz, kehrte wieder, klappte seinen Fellmantel auf und entblößte nackte Lenden. Gegröle.
Die Spannung war verflogen, alle hatten sich wieder lieb. Die folgende Abstimmung gewannen wir Frauen souverän mit 38 gegen 9 bei 6 Enthaltungen, auch viele Männer stimmten mit uns. Die erste Frauenquote Deutschlands ward Wirklichkeit. Damals hatten wir nicht die leiseste Ahnung, dass wir Geschichte geschrieben hatten.
Denn von der taz wanderte sie zu den Grünen, die 1986 eine 50-Prozent-Quote beschlossen. Tante Sozialdemokratie tuckelte 1988 hinterher und beschloss eine 33-Prozent-Quote, 1998 gesteigert auf 40 Prozent. Es folgte 1990 PDS/Die Linke mit einer 50:50-Regelung. Die CDU führte 1996 mit dem „Frauenquorum“ eine weiche Quote ein, die CSU beschloss 2010 eine 40-Prozent-Regel für Gremien oberhalb der Kreisverbände.
Ute Scheub, damals Öko-Redakteurin, heute Autorin von 20 Büchern, zum Beispiel „Heldendämmerung“
Seit Gründung der Bundesrepublik hatte der Anteil weiblicher Bundestagsabgeordneter bis 1987 nie mehr als jämmerliche 10 Prozent betragen; nun stieg er kontinuierlich bis 36 Prozent. Erst der Einzug der Gauland-Machos aus der fast durchweg männlichen AfD ließ die Kurve 2017 wieder auf 30 Prozent sinken.
Gäbe es heute eine Bundeskanzlerin und ein zur Hälfte weibliches Regierungskabinett, wenn wir damals nicht den Busen blank gezogen hätten? Keine Ahnung.
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