Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Die Rente mit 94 droht, unser Innenminister will beim Terror zuschauen, und der Atomausstieg ist der kleine Neffe der friedlichen Implosion der DDR.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Uli Hoeneß rettet die Steuerpolitik der SPD.
Und was wird besser in dieser?
BVB kündigt Benefizspiel fürs Münchner Finanzamt an.
Der NSU-Prozess wird auf den 5. Mai verlegt, die Presseplätze werden neu verlost. Deutsche Medien kündigen Ärger an, sollten sie ihren Platz wieder verlieren. Kann man da noch irgendwas richtig machen?
Schon spektakulär, wie das Gericht einen Fehler nach dem anderen macht, nur um unbedingt garantiert keinen Fehler zu machen. Man hofft auf Aufklärung und Sühne. Dieses Gericht hingegen stellt sein Bemühen in den Mittelpunkt, jederzeit nachweisen zu können, sich an die Vorschriften gehalten zu haben. Im spitzfüßigen Bemühen, in keine Pfütze zu treten, haben sie aus Versehen einen Köpper in den Lehm gemacht. Menschlich wäre große Öffentlichkeit und Respekt vor den Opfern die nachvollziehbare Messlatte – wenn das Urteil dafür angegriffen würde, müsste sich das leichter aushalten lassen.
Wäre ein Losverfahren nicht auch etwas für die Italiener, die lange ohne Präsidenten waren ?
Ja, aber offenbar wollten Helmut Schmidt und Altbenni Ratzinger nicht in den Lostopf. So muss es der 87-jährige Napolitano richten. Die Amtszeit beträgt sieben Jahre, es droht der Präzedenzfall „Rente mit 94“. Er wird eine Koalition herbeimoderieren – mit Berlusconi. Oder Neuwahlen ausschreiben – die will Berlusconi.
Beim Boston-Marathon gab es einen Bombenanschlag. Der Fußball hat seine Sicherheitskontrollen, beim Radsport gibt’s nur noch Doping. Wird jetzt auch noch das Laufen gefährdet?
Innenminister Friedrich fordert sogleich mehr Überwachungskameras – mindestens so viele, wie man in Boston hatte, wo sie genau nichts verhindert haben. Will der Leben retten oder bei Anschlägen wenigstens zugucken? Logik ist bei Sicherheitspolitik auch ’ne Extremsportart, und Friedrich ist offenkundig 100 Prozent ungedopt.
ist Journalist und Fernsehproduzent. Jede Woche wird er von der taz zum Zustand der Welt befragt.
Union und FDP haben es trotz einiger widerspenstiger Frauen geschafft, die Frauenquote erst mal bis 2020 in ihrem Wahlprogramm zu beerdigen. Was soll an 2020 besser sein als jetzt?
Nichts. Es ist nur ein Spiel um Symbole, und natürlich wären mehr prominente Businessfrauen Beweis für Fähigkeit und Ermutigung zur Nachahmung. Allerdings wären drei gesetzte Frauen in der Männer-Nationalmannschaft auch nur ein Witz, wenn in den zehn Spielklassen darunter nichts passierte. Da geht es um GmbH-Gründerinnen, Selbstständigkeit und Familie, Wirtschaftsförderung mit gesellschaftlichen Zielen. Auch um die Frage: Wäre Wirtschaft, wie sie ist, wenn sie weniger Herrenzimmer wäre? Oder machen Frauen eine andere Wirtschaft ? Da liegt der mögliche Profit für alle, und ein Wort wie „Profit“ mögen die in der Szene doch.
Peer Steinbrück versucht es derweilen mal mit dem Versprechen der doppelten Staatsbürgerschaft. Nach Clowns und Vortragshonoraren endlich mal ein vernünftiger Vorschlag?
Steinbrück? Peer Steinbrück? Ja? Moment. Doch, ich erinnere mich.
Eine Enquetekomission hat sich mit Netzpolitik befasst und will jetzt einen Internetminister für Deutschland haben. Wer bekommt den Job?
Der Trollolo-Mann oder der Pandabär aus der ägyptischen Frischkäsewerbung. Jeder mal ’ne halbe Stunde Amtszeit, 140 Zeichen Regierungserklärung und je nach Likes eine zweite Chance. Na ja, bisher balgen sich Justiz, Wirtschaft und sehr wenig Gesellschaftspolitik um die Kompetenz. Zum Segen der Union, die sich jedes Mal freut, wenn die Piraten noch mal Luft kriegen und Rot-Grün Stimmen abjagen. So gesehen muss gerade der Opposition an dem Ressort gelegen sein.
Nach Gorleben fährt zunächst kein Castor mehr, und die Erneuerbaren haben zum ersten Mal mehr Strom geliefert als alle anderen Energien. Ein Grund, nostalgisch zu werden?
Der Atomausstieg ist wie ein kleiner Neffe der friedlichen Implosion der DDR. Wir Deutsche machen manchmal lustige Sachen, die wir uns selbst kaum zutrauen.
Daniel Cohn-Bendit hat den Theodor-Heuss-Preis erhalten. Gute Entscheidung?
Irgendwo muss der löbliche Teil des deutschen Liberalismus ja geparkt werde, solange die FDP damit nichts anzufangen weiß.
Und was machen die Borussen?
Mehr Sicherheit in den Stadien! Klar! Wir stehen noch in der Schlange vorm Abtasten, und Reus macht in der 38. Sekunde das Tor.
FRAGEN: MARLENE STAIB
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen