Kommentar „Industriestrategie 2030“: Altmaiers verstörender Ansatz
Wirtschaftsminister Peter Altmaier will „nationale Champions“. Das ist falsch – weil so ökologische Innovationen auf der Strecke bleiben.

D er Name klingt pompös: „Nationale Industriestrategie 2030“ hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier sein Projekt getauft. Er will deutsche Unternehmen stärken und „nationale Champions“ kreieren, auf dass diese im Wettbewerb gegen China und die USA bestehen. Es ist nicht falsch, Industriepolitik zu betreiben – aber Altmaiers Ansatz ist verstörend.
Industriepolitik kann sehr erfolgreich sein. Bestes Beispiel ist die EEG-Umlage, die Solarpanels und Windkraftanlagen gefördert und rentabel gemacht hat. Bis heute gäbe es keine alternative Energieerzeugung, wenn der Staat nicht eingegriffen hätte. Doch bei Altmaier fehlen Zukunftsvisionen, die in diese klimafreundlichere Richtung weisen. Stattdessen kehrt er in die Vergangenheit zurück.
Seine „nationalen Champions“ sind Großbetriebe wie Thyssen, BASF, Siemens oder die Deutsche Bank. Diese Firmen stammen allesamt aus dem 19. Jahrhundert und dominieren seither ihre Branchen. Staatshilfe ist da überflüssig, zumal die meisten Konzerne exorbitante Profite einfahren. So konnte BASF im Jahr 2017 einen Vorsteuergewinn von 8,5 Milliarden Euro verbuchen.
Trotzdem setzt Altmaier auf das Prinzip Gießkanne: Reiche Großkonzerne werden künftig noch reicher sein, weil der Staat ihre Forschung fördert und „wettbewerbsfähige Steuern“ verspricht. Dieser Euphemismus meint, dass die Unternehmensteuern – ohnehin schon niedrig – noch weiter sinken werden. Bezahlen darf das natürlich die Allgemeinheit.
Altmaier hat durchaus recht damit, dass die deutsche Industrie ihre Zukunft verschläft. Bestes Beispiel sind die Autokonzerne, die noch immer dreckige Dieselfahrzeuge produzieren, während das Ausland längst auf Elektromobilität setzt. Aber dieser Trägheit ist nicht mit staatlichem Geld beizukommen – ganz gleich, wohin es fließt. Stattdessen müsste Altmaier echte Industriepolitik betreiben.
Der Dieselskandal etwa war nur möglich, weil der Staat jahrelang toleriert hat, dass die Autokonzerne bei den Abgaswerten geschummelt haben. Die Behörden waren nicht zu streng – sondern haben von den Unternehmen zu wenig verlangt.
Diesen Fehler wiederholt Altmaier nun, indem er „stabile Energiepreise“ verspricht. Als gäbe es den Klimawandel nicht, ist die Botschaft erneut: Alles bleibt wie wie es ist. Altmaier tötet damit genau jene Innovationen, die er sich so sehr wünscht. Neuerungen lohnen sich nämlich nicht, wenn die Zukunft wie die Vergangenheit sein soll.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren