Forderung der Naturschutzverbände: Neue Hürde für Wolfsabschuss
Viele Wölfe, die sich nicht von Menschen fernhalten, werden erschossen. Naturschützer fordern, dass vorher eine Beratungsstelle befragt wird.
Als auffällig gelten zum Beispiel Wölfe, die sich mehrmals Menschen genähert haben und später möglicherweise angreifen. Laut dem in der Diskussion führenden Norwegischen Institut für Naturforschung sind im 20. Jahrhundert in Europa, Indien, Russland/Sowjetunion und Nordamerika bei mindestens 534 Angriffen 446 Menschen ums Leben gekommen. In Deutschland starb der Wolf schon vor etwa 150 Jahren aus, ist aber im Jahr 2000 wieder zurückgekehrt. Seitdem wächst der Bestand der nun streng geschützten Art.
Bisher haben die Behörden die Tötung von 3 Problemwölfen genehmigt. Nur einer konnte erlegt werden: Vor fast genau einem Jahr wurde in Niedersachsen der „MT6“ genannte Rüde geschossen. Er war mehrmals Fußgängern sehr nahe gekommen, mindestens einmal biss er einen Hund.
Zum Abschuss freigegeben, aber verschwunden
Der Brandenburger Wolf, der ein Mädchen beschnuppert hatte, tauchte nicht wieder auf, nachdem er vergangenen Dezember zur Tötung freigegeben worden war. Auch das Tier in Sachsen, das laut Behörden von November bis Februar mehr als 50-mal an oder in Ortschaften und davon 24-mal auf bebauten Grundstücken oder in Hofräumen gesichtet worden war, verschwand.
Für den Abschuss von MT6 äußerten Nabu und IFAW Verständnis – auch weil die Bundesberatungsstelle zum Thema Wolf die Tötung empfohlen hatte. Der Nabu billigte auch die Brandenburger Entscheidung, in die zwar nicht die Bundesstelle, aber der Verband einbezogen worden war.
Die sächsische Abschussfreigabe dagegen kritisierten die Naturschützer als „politisch motiviert“. Es gebe keine „akute Gefahr“. Die Sachsen hatten sich nicht an die Bundesberatungsstelle gewandt. „Die zuständige Behörde hat aber sehr wohl eine gutachterliche Stellungnahme des Lupus Instituts für Wolfsmonitoring- und Wolfsforschung eingeholt“, sagte der Sprecher des CDU-geführten Umweltministeriums in Dresden, Frank Meyer, der taz. Lupus sei Bestandteil der Bundesberatungsstelle. Er wollte sich nicht festlegen, ob Sachsen in zukünftigen Fällen das Gremium konsultieren wird.
Kritik an „bürokratischer Hürde“
Das SPD-Umweltministerium in Brandenburg erklärte, der „Umweg über eine ‚Zentralstelle‘ ist auch deshalb nicht immer erforderlich, weil wir im Land durchaus über erfahrene Wolfsexperten verfügen“. Zudem müsse oft sehr schnell entschieden werden. Das niedersächsische Ministerium ließ eine Anfrage der taz bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft in Bremen und Niedersachsen dagegen kritisierte, die Einschaltung der Beratungsstelle sei eine „neue bürokratische Hürde“. Sie würde es erschweren, den hiesigen Wölfen ihre eigentlich artgemäße Scheu vor Menschen wieder beizubringen, etwa mit Gummikugeln oder Abschüssen. Das auch vom Nabu zitierte Norwegische Institut für Naturforschung schreibt, eine „sorgfältig regulierte Bejagung“ könne in bestimmten Situationen nützlich sein, um die Scheu der Tiere zu erhalten.
Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, bezweifelte, dass die Beratungsstelle „die nötige Akzeptanz“ in der Gesellschaft habe: „Der Gründungsfehler dieses Zentrums ist, dass es nur für Artenschutz zuständig ist.“ Bisher sind an der Beratungsstelle nur Biologen, Wildtierforscher und Genetiker beteiligt. Tackmann forderte eine Bundeseinrichtung, die sich auch um den Schutz von Nutztieren vor Wölfen kümmert.
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