Kommentar Flüchtlingsaufnahme: Rassismus im Zentralrat der Juden
Der Präsident des Zentralrats der Juden hat sich für eine Obergrenze bei der Flüchtlingsaufnahme ausgesprochen. Das ist ganz bitter.
D er Zentralrat der Juden in Deutschland fordert eine Obergrenze für den Zuzug von Geflüchteten. Josef Schuster, Zentralratspräsident, will nicht mehr arabische Ankömmlingen in Deutschland sehen: Antisemitismus sei ein ethnisches Problem. Man kennt dieses Narrativ aktuell aus Israel: Der Jerusalemer Großmufti war für den Holocaust verantwortlich, nicht der Typ mit dem komischen Schnurrbart aus Braunau am Inn.
Doch laut Angaben der Bundespolizei werden in Deutschland mehr als 95 Prozent aller antisemitischen Gewalt- und Straftaten von Deutschen ohne Migrationshintergrund begangen. Laut dem Antisemitismusbericht des Bundestags aus dem Jahr 2012 ist ein Fünftel der deutschen Bevölkerung offen gegenüber antisemitischem Gedankengut. Wenn jemand behauptet, dass es Antisemitismus vor allem unter Arabern gibt, ist er entweder dumm und hat schlechte Berater – oder er ist einfach ein Rassist.
Es gab in Deutschland bisher genau zu benennende Kräfte, die sich für Obergrenzen bei Geflüchteten aussprachen: die rechtspopulistischen Parteien AfD und CSU sowie die Pegida-Bewegung. Letztere besteht aus Rassisten, die sich als besorgte Bürger ausgeben. Nun ist auch der Zentralrat der Juden Mitglied in dieser ominösen Gesellschaft. Das ist traurig, davon müssen sich die Juden Deutschlands distanzieren, oder etwa nicht?
Vergessen wir das idyllische Bild eines Zentralrats, der sich für die Unterdrückten dieser Welt einsetzt, der sich dem wichtigsten jüdischen Gebot, der Nächstenliebe, verbunden fühlt. Seien wir ehrlich miteinander: Mein Vorschlag wäre, dass sich der Zentralrat der Juden zum Zentralrat der rassistischen Juden umbenennt. Die Frage lautet dann: Wer wird uns, antirassistische Juden, vertreten?
Der Autor ist Student der jüdischen Theologie und Koordinator der Salaam-Schalom-Initiative (salaamschalom.de).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert