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Rassistischer Angriff in Magdeburg„Nach oben offene Gewaltskala“

Rechte verprügelten drei Geflüchtete. War es Selbstjustiz für einen mutmaßlichen sexuellen Übergriff? Hatten sie Informationen von der Polizei?

Die Rechtsextremen in Magdeburg sind leider ziemlich aktiv. Hier bei einer Demo im Januar 2012 (Archivbild) Foto: dpa

HAMBURG taz | „Gut gemacht, die Jungs, es wird Zeit, dass diese Ratten sich Nachts nicht mehr auf Magdeburgs Straßen trauen“. Auf Facebook feiert die regionale rechte Szene den Angriff auf drei Flüchtlinge aus Syrien in der Nacht zu Sonntag. „Die Täter kamen aus dem rechtsextremen Hooligan-Spektrum“, sagt Sebastian Striegel, Landtagsabgeordneter der Grünen in Sachsen-Anhalt. Einträge auf Facebook legen aber auch nahe, dass das Täterumfeld den Angriff auf detaillierte Informationen der Polizei stützte.

30 rechte Hooligans hatten in der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt gezielt Flüchtlingen aufgelauert. Die dunkel gekleidete Gruppe griff in der Nähe des Veranstaltungszentrums „Festung Mark“ ihre ahnungslosen Opfer mit Baseballschlägern an. Die Attackierten erlitten Prellungen und Verletzungen im Gesicht. Sie mussten im Krankenhaus ambulant behandelt werden.

Zivilbeamte, die den Vorfall beobachteten, verhinderten Schlimmeres. Als sie eingriffen, flüchteten die Täter. Einer von ihnen bedrohte einen Polizisten mit einem Schlagstock, worauf der Beamte sich mit Pfefferspray wehrte. Einen 24-Jährigen nahm die Polizei später fest.

Anlass der Tat könnte der Wunsch nach Selbstjustiz sein: Bereits am Freitag wurde auf der Facebook-Seite eines stadtbekannten rechten Hooligans mit dem Profilnamen H.O. über einen Fall von sexueller Nötigung diskutiert. Um 18.38 Uhr kannte der Hooligan Details über die betroffene Frau, den Tatverlauf und ihre Verletzungen.

„Es waren 6 Afghanen“, verbreitete der Freefigther und Coach für Kickboxen auch gleich und erklärte: „Jetzt gibt es keine Rücksicht mehr“. Die Informationen, auf die sich die Rechtsextremen bezogen, waren von der Polizei und Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt des Facebookeintrags weder bekanntgegeben noch bestätigt worden.

In den Kommentaren auf der Facebook-Seite von H.O. hieß es sofort, man müsse in die Flüchtlingsunterkunft „mit Männern rein“ und „alle Typen platt schlagen“. „Diese Halbaffen ... Totschlagen an Ort und Stelle“ postete jemand. „Gute Idee, nen Trupp klarmachen“, hieß es in einem Kommentar und mehrere andere versicherten daraufhin: „Wäre sofort dabei“.

Ein weiterer Facebook-User schrieb: „Der Unmut in den eigenen Reihen der Polizei wächst Tag für Tag“. Das „Antifa-Pack“ und die „domestizierten Gutmenschen“ würden es aber immer noch nicht „raffen“.

Mit der Bundespolizei posiert

„Die Täter haben sich ganz offensichtlich am Freitag bereits für eine Aktion im Internet verabredet“, sagt David Begrich, Rechtsextremismusexperte vom Verein „Miteinander e.V.“. Die Debatte offenbare, wie dort „eine nach oben offene Gewalt-Eskalationsskala sich weiter hochschraubt“.

Im Internet posiert H.O. bei einem Sportevent mit einen Mann, auf dessen Trainingsjacke „Bundespolizei“ prangt. H.O. schreibt zum Bild: „Schon lange stelle ich mein Können der Bundespolizei zur Verfügung, erst im Bodenkampf, nun in Zukunft auch im Standkampf. Seit Monaten schon ein Team und seit einiger Zeit auch befreundet“.

Der Facebook-Eintrag ist der Polizei seit kurzem bekannt. „Wir haben das wahrgenommen“, sagt ein Sprecher der Polizei Magdeburg. Woher die Informationen über den Fall sexueller Nötigung stammen, wüssten sie noch nicht. Ob sie von der Polizei selbst kommen, kann der Sprecher nicht beantworten. „Vielleicht von einer Zeugin“, erklärte er der taz. Striegel versichert: „Wir werden dazu parlamentarisch im Innenausschuss nachfassen“.

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7 Kommentare

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  • Fremdenhaß oder Protest – wie ist PEGIDA zu verstehen?

     

    Der Hallenser Psychoanalytiker Hans Joachim Maaz auf mdr figaro:

    http://www.mdr.de/mdr-figaro/journal/audio1311390.html

    • @Gion :

      H.J. Maaz beurteilt, ohne zu verurteilen.

      Sehr guter Link zu einem von mir hoch geschätzten Gesellschaftsanalytiker.

      • @lions:

        Maaz spricht vermutlich ganz recht von einem "Narzißmus aus Verletztheit". Die armen Ostdeutschen...

         

        Bei Kindern würde man von der Trotzphase sprechen. Nur das sie bei den Menschen im Osten jetzt schon 25 Jahre anhält und die dort herangewachsenen Riesenbabys mit Thor-Steinar-Kapuzen, Tribal-Tattoos und Glatzköpfen schon längst nicht mehr bloß mit der Kinderrassel spielen...

    • @Gion :

      Was hat denn ein Lynchmob von 30 Leuten mit Baseballschlägern mit PEGIDA zu tun, ausser das die alle in der gleichen, geistigen Strömung schwimmen, in der zu solchen unsinnigen Gewaltausbrüchen in Form von Hetze und Panikmache provoziert wird?

       

      Hier wurden offenbar völlig unbeteiligte Dritte wahllos auf offener Strasse attackiert, nämlich syrische Flüchtlinge... der beklagte, mutmaßliche sexuelle Übergriff auf die 19-Jährige ging von einem afghanischen Flüchtling aus.

  • Hendrik "The German Hitman" Oschmann betreibt offenbar mehrere Accounts auf Facebook.

     

    Auf dem Profil "Gladiator Hitman" kann man öffentlich nachlesen, wie er sich am 31. Oktober um 14:04 über einen Polizeibesuch zu seinen "vermeintlichen Hassreden" lächerlich macht. Vor 2 Stunden, am 2. November 2015 um 11:29, hat er gepostet, das nun einer der 6 Afghanen festgenommen wurde und in U-Haft sitzt und vor dem Mob der übrigen Insassen von der Polizei geschützt werden muss.

     

    Was stimmt denn nun?

     

    Gab es diese Vergewaltigung an der 19 Jährigen oder gab es sie nicht? Wenn nicht, dann liegt hier tatsächlich Hassrede vor und der Typ gehört angezeigt.

     

    Er betitelt Asylbewerber als "Ratten" und verkündet, das Magdeburgs Innenstadt ein "heißes Pflaster für Asylanten" sein wird.

     

    Ausserdem sowas hier:

    "und jetzt zum mitschreiben für die extremisten der linken Fraktion, meine quellen kommen direkt aus der JVA Burg ! Ihr penner braucht auch nicht bei facebook suchen, meine bullen sind da nicht angemeldet um euch dreck kein futter zu geben!"

     

    Auch gruselig: Der Typ engagiert sich in der Kinder- und Jugendförderung im lokalen Sportverein. Er verheimlicht seine "Gesinnung" offensichtlich nicht. Interessiert das die Eltern nicht? Man sieht das recht viele Fotos von Kids und Muttis auf Gruppenfahrten, bzw Sportveranstaltungen.

    • @CäptnTrips:

      Ergänzung:

      --------------------------------------

       

      1) Ja, es gab am Freitag einen Übergriff eines afghanischen Asylsuchenden auf ein 19-jähriges Mädchen - es handelt sich nicht um eine reine Hoax. Es kam allerdings anders als in Oschmanns Postings dargestellt, nicht zu einer Vergewaltigung. Dies bestätigt das Oper in ihrer Aussage selbst. Es gab mehrere Männer in Begleitung des Täters, denen wird aber z.Z. keine Tatbeteiligung vorgeworfen.

       

      2) Das oben gemeinte Profil ist öffentlich unter "Hendrik Henne Oschmann" zu erreichen. "Gladiator.Hitmann" ist Teil der URL, vermutlich weil dies einmal der Name des Kontos vor einer Umbenennung war.

       

      3) Das Profil zeigt bereits im April das Foto einer maskierten Gruppe von Männern auf einem Waldweg... in einem Profil-Album mit dem Namen "Blood and Honour". Es wurde aktuell wieder gepostet von Oschmanns engem Facebook-Freund und Kollegen "Uwe Bernsee", mit der Bildunterschrift:

       

      "soooooo. ..wer nicht in der lage ist für ordnung zu sorgen..dass unsere frauen u.mädchen wieder normal durch die strassen gehen können..egal..ob bei tag oder nacht..dann geht es eben nur noch so..achso..es ist mir scheiß-egal ob das richtig oder falsch ist...ES WIRD GEHANDELT...fertig..."