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Debatte KlimaschutzDie Irren der Energiewende

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Wird von Klimaschutz und erneuerbaren Energien geredet, dann ist oftmals Verlogenheit im Spiel. Gerechnet wird so lange, bis die Ergebnisse ins Bild passen.

Ob diese Windräder in der Spiegelwelt artgerecht gehalten werden?

D ie Geschichte der Energiewende ist voller Irrtümer. Die meisten Entscheidungen fallen aufgrund falscher oder kaum nachvollziehbarer Annahmen. Auch gibt es keine anerkannte Kosten-Nutzen-Analyse von Klimaschutz und Energiewende. Heraus kommen meist Schlagworte von Lobbyverbänden, in den Medien dumpf wiederholte und in die Köpfe gehämmerte Parolen.

Wer die Energiewende teuer machen will, rechnet die Einsparungen klein, die der niedrigere Verbrauch von Kohle, Öl und Gas mit sich bringt und ignoriert Umwelt- und Gesundheitsschäden dieser Energieträger. Arbeitsplätze und Wertschöpfung durch erneuerbare Energien werden regelmäßig ausgeblendet.

Manchmal muss man an die nordischen Schöpfungsmythos um die Urkuh Audhumbla denken: Aus deren Euter fließen offenbar permanent Stromkabel, Kraftwerke, Pipelines, Tankstellen, Straßen und Häfen. Das ist zumindest die einzige Erklärung, warum alle Studien ignorieren, dass die bisherige fossile Infrastruktur nicht vom Himmel gefallen ist. Eine faire Vergleichsrechnung zu einem neuen Energiesystem fehlt.

Falsche Prämissen

Andererseits wird auch die Energiewende schöngerechnet: Es wird einfach ignoriert, dass dadurch auch Arbeitsplätze und Werte vernichtet werden, nämlich bei den fossilen Energien. Das Problem, dass man Wind- und Solarstrom noch nicht kostengünstig speichern kann, wird mit dem Hinweise auf immer billigere Batterien oder norwegische Seen abgetan, in denen man Windstrom speichern könnte.

Im Ergebnis kann sich in Deutschland jeder sein Weltbild zusammenzitieren. Das müsste nicht so sein. Die UN haben es geschafft, mit dem „Intergovernmental Panel on Climate Change“ eine weltweit anerkannte Institution zum Thema Klimawandel zu etablieren. Warum keinen „Intergerman Panel on Energiewende“ gründen, in dem sich alle Experten auf von allen anerkannte Szenarien über Kosten und Nutzen der verschiedenen Energiesysteme einigen? Stattdessen definiert die große Koalition einen „Ausbaupfad“, ohne zu erklären, aufgrund welcher Überlegungen 45 Prozent erneuerbare Energien bis 2025 vernünftig sein sollen.

Schlimmer noch, viele Prämissen sind schlicht falsch. Erstens: die angeblich „explodierenden“ Kosten. Energieministers Sigmar Gabriel erzählt uns diese Geschichte, weil er Kanzler werden will. Dazu braucht er eine Story: Energiewende in Deutschland litt bisher unter „Anarchie“ und war unglaublich teuer. Das ist auch das Bürgerbauchgefühl. Jetzt kommt er, Gabriel, stoppt die Kostenexplosion und sorgt für Ordnung. Allerdings: Erneuerbare Energien sind billig geworden, die Kostensenkung ist schon da.

Macht der Monopole

Zweitens: Als Kronzeuge dafür, dass wir hier alles schrecklich teuer machen, dienen die USA. Dort kostet Strom maximal die Hälfte. Das sagt die EU-Kommission bei jeder Gelegenheit, die deutsche Industrie sowieso. Niemand erwähnt: Die US-Volkswirtschaft subventioniert ihre Energie. 2010 waren es nach einem Bericht der US-Energieagentur 37 Milliarden Dollar. Hinzu kommen großzügige Steuererleichterung bei der Öl- und Gasförderung. Erneuerbaren Energien, von denen in den USA übrigens mehr zugebaut werden als hierzulande, werden über Steuervergünstigungen gefördert und nicht über die Stromrechnung wie in Deutschland. Während also in den USA der Staat den Strom bezuschusst, wird er bei uns zusätzlich besteuert.

Im Prinzip ist das gut, weil teurer Strom der Wirtschaft einen Anreiz gibt, effizienter damit umzugehen. Nur, wenn die Politik der Meinung ist, dass die Preisdifferenz zu den USA zu hoch ist, dann müsste sie – sehr unbequem – die Steuerpolitik ändern. Dritter Irrtum ist der „Markt“. Dem sollen sich die erneuerbaren Energien jetzt stellen. Welcher Markt? Stromversorgung kennt in Deutschland seit Erfindung der Glühbirne keinen Markt. Im 20. Jahrhundert war das Land in Gebiete aufgeteilt, in denen Monopolisten die Preise bestimmten. Noch vor wenigen Jahren gehörten über vier Fünftel der Kraftwerke und das gesamte Übertragungsnetz in Deutschland vier Konzernen. Erst in den letzten Jahren hat sich das geändert. Dank erneuerbarer Energien.

Und weltweit? In Frankreich, Russland, China, Japan und den Golfstaaten sind die Energiekonzerne Staatsunternehmen. In den USA machen allein Exxon Mobile und Chevron 700 Milliarden Dollar Umsatz. Das niederländisch-britische Unternehmen Royal Dutch Shell bringt es auf rund 470 Milliarden Dollar. Das ist kein Markt, das ist ein globales Kartell. Der Wettbewerb im Öl- und Gassektor besteht darin, in Entwicklungsländern die höchsten Bestechungsgelder zu zahlen, um an Rohstoffe zu kommen.

Globale Klimapolitik

Ausgerechnet die erneuerbaren Energien, die erstmals seit der industriellen Revolution die Abhängigkeit von diesen wenigen Konzernen aufbrechen, sollen sich jetzt dem „Markt“ stellen. Im Energiesektor haben sich noch nie die innovativen Unternehmen durchgesetzt, sondern die mit dem besten Draht zum zuständigen Minister. Deshalb ist auch der Beschluss der EU, den Mitgliedsländern keine konkreten Ziele zum Ausbau erneuerbarer Energien mehr vorzugeben, eine Katastrophe. Sie zementiert die alten Strukturen.

Viertens arbeitet die EU-Klimapolitik am eigentlich Problem vorbei. Was für einen Sinn hat es, in einer globalen Weltwirtschaft nur die eigenen CO2-Emissionen daheim zu senken? Relativ wenig. Der Smog in den Entwicklungsländer kommt aus Fabriken, die für uns produzieren. Für den reichen Teil der Welt. Seit Jahren fordern Ökonomen aller Couleur deshalb eine Steuer auf die CO2-Emissionen, die ein Produkt verursacht. Egal wo. Das wäre allerdings kaum mit den gegenwärtigen Regeln des Welthandels zu vereinbaren. Aber Regeln lassen sich ändern.

Momentan verhandeln die USA und die EU ein Freihandelsabkommen. Es wäre tatsächlich eine Revolution, wenn derartige Überlegungen einbezogen würden. Um Stück für Stück den globalen Klimaschutz von einem Kostenfaktor in einen Wettbewerbsvorteil umzuwandeln. Das wäre eine schöne Utopie.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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20 Kommentare

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  • A
    aristo

    Die Energiewende ist gescheitert.

     

    Ökonomische Gesetze kann man nur eine Weile ignorieren, physikalische gar nicht.

    • @aristo:

      Welche Energiewende?

  • HU
    Heiko U

    Ah... da versucht jemand im neutralen Gewand einen Artikel zu schreiben, der sich für die Erneuerbaren ausspricht. Aber mit derart vielen fachlichen Fehlern, fällt es halt doch auf.

     

    Aber der lustigste Satz ist dieser:

    "Im Prinzip ist das gut, weil teurer Strom der Wirtschaft einen Anreiz gibt, effizienter damit umzugehen."

    Teurer Strom ist nicht gut, weil die Wirtschaft in ein Land abzieht, das günstigeren Strom hat. So ist die Realität. Die teure Energiwende gefährdet jede Menge Arbeitsplätze! Und wenn die Leute dann keine Arbeit mehr haben, können sie sich die Energiewende mit noch teurerem Strom noch viel weniger leisten! So einfach ist das...

    • @Heiko U:

      ... sprach der Theoretiker. "... weil die Wirtschaft in ein Land abzieht, das günstigeren Strom hat. So ist die Realität." nee so ist die Theorie. Die Relität ist, dass Deutschland mit seinen angeblich zu hohen Energiepreisen seit Jahren Exportweltmeister oder Vize ist.

  • D
    D.J.

    Am Anfang dachte ich noch, es handle sich um den üblichen einseitigen ideologischen Kram. Dann war ich positiv überrascht, dass auch einige Legenden der Erneuerbaren-Lobby angesprochen wurden.

     

    "Der Wettbewerb im Öl- und Gassektor besteht darin, in Entwicklungsländern die höchsten Bestechungsgelder zu zahlen, um an Rohstoffe zu kommen."

     

    Das mag oft stimmen, scheint mir aber zu pauschal. Die irakischen Lizenzen z.B. wurden versteigert (zum Nachteil der amerikanischen und Vorteil der chinesischen Konzerne). Gut möglich natürlich, dass hier auch genaue Absprachen im Spiel waren.

  • HS
    Hari Seldon

    @manfred lührs:

     

    Nur die bekannten Uranvorräten sind für mehr als 600 (sechhundert) Jahren ausreichend. Und in 600 Jahren können noch einiges passieren. Als Illustration. Vielleich kennen Sie den berühmten Spruch vom Anfang des XX. Jahrhunderts (damals waren Pferde die wichtigsten "Motore" für Mobilität, die Autoindustrie steckte noch in Kindeschuhen): "Nach 20 Jahren werden die Strassen in Großstädten mit einem halben Meter hohen Pferdemist bedeckt". Nun, bitteschön wie hoch ist das Pferdemist auf den Strassen? Einfach konnten die Pferde durch Autos ersetzt werden (technologischer Wandel). In 600 Jahren werden ganz sicher sogar noch mehrere techonogische Wandel geben. So Ihr Hausieren mit einem bevorstehendem Weltuntergang ist nicht wirklich überzeugend, und kann höchstens als Rattengfängerei (wie beim Haustürverkauf) eingestuft werden.

    • @Hari Seldon:

      "Nur die bekannten Uranvorräten sind für mehr als 600 (sechhundert) Jahren ausreichend."

       

      Für was sollen die Uranvorräte ausreichend sein? Woher haben Sie diese Zahl? Auf welcher Basis kam sie zustande? Von wem und wozu wurde sie ermittelt?

      • @Rainer B.:

        Wer war der weltweit 3. größte Uran-Förderer? Wismut-AG! Abgewickelt! Umweltschutz - Ausrede, denn in der 3. Welt ist er eher schlechter!

        • @howetzel:

          Es wird immer gern ausgeblendet, dass schon die Urangewinnung riskant ist und Menschenleben fordert.

  • K
    Kaboom

    Die Kampagne gegen die erneuerbaren hat (abgesehen von ideologisch motivierten Gründen) eine äusserst banale Ursache: Entsprechende Anlagen (völlig egal ob Windenergie, Sonnenenergie oder andere) sind strukturell dezentral. Die Unternehmensstruktur ist in aller Regel mittelständig. Und dies ist eine ernste Bedrohung für die Bilanzen der Energiekonzerne.

  • G
    gast

    Photovoltaik und Windräder liefern Energie wenn die Natur es will. Wasserkraft, fossile Energieträger und Reaktoren liefern Energie wenn der Mensch es will. Diese Realitäten lassen sich durch keine irgendwie geartete Politik ändern. Weil das aber in der BRD ignoriert wird, haben wir eine "Energiewende", bei der Strom entweder gegen Entgelt ins Ausland "entsorgt" werden muss bzw. mit Braunkohle erzeugt wird. Der deutsche Weg halt: teuer, dreckig, ineffizient.

  • Die Menschheit hat mindestens 200 Jahre benötigt um das jetzige System der fossilen und atomaren Energieversorgung aufzubauen. Kohlebergwerke und Kohlehalden, Uranminen, Gaskavernen sind nichts anderes als Speicher vor der Stromerzeugung und mit einem Billiardenaufwand erstellt worden.

    Für die erneuerbaren Energie benötigen wir selbstverständlich Speicher - aber eben nach der Stromerzeugung. Das der Vorgang die alten Speicher herunterzufahren und die neuen Speicher zu bauen Widerstände erzeugt ist nicht verwunderlich. Ich habe schon Anfang der 1990er Jahre gesagt, dass es für die Erneuerbaren problematisch wird wenn wir anfangen Grundlaststrom zu verdrängen. Das machen wir jetzt. Es ist egal ob die fossilen Vorräte noch 30 oder 50 Jahre reichen, sie sind sehr endlich und wir haben keinesfalls wieder 200 Jahre Zeit um uns auf die Erneuerbaren umzustellen. Das die Politik aber nicht erkennt, dass wir keine Zeit haben für die Umstellung ist unentschuldbar! Gabriels Pläne verzögern die Energiewende - und die Erfahrung lehrt das Verzögerungen es noch teurer machen. Deutschland war auf einem guten Weg beweisen zu können, dass sich eine Industrienation auf erneuerbare Energieversorgung mit breiter Bevölkerungsunterstützung umstellen kann! Dieser Weg ist jetzt verlassen worden und damit auch die Chance weltweit eine führende Rolle einzunehmen! Wir können alle nur hoffen und daran mitarbeiten, dass der Widerstand groß genug ist, damit die Versorgung mit Erneuerbaren Energien in Bürgerhand nicht ein Irrtum der Geschichte wird!

    • HU
      Heiko U.
      @Manfred Lührs:

      "dass es für die Erneuerbaren problematisch wird wenn wir anfangen Grundlaststrom zu verdrängen. Das machen wir jetzt."

      Gar nichts macht "ihr"!

      Solange keine Speicher gebaut oder auch nur geplant sind, wird kein einziges Grundlast-Kraftwerk verdrängt bzw. ersetzt. (meistens verhindern die gleichen "Umweltschützer" Stromtrassen und Speicherprojekte, die notwendig wären)

      • @Heiko U.:

        Das kann man halten wie ein Dachdecker!

        Durch den Einspeisevorrang gibt es einfach keine Grundlast mehr. sondern bestefalls Mittellast!

  • "Das Problem, dass man Wind- und Solarstrom noch nicht kostengünstig speichern kann, wird mit dem Hinweise auf immer billigere Batterien oder norwegische Seen abgetan, in denen man Windstrom speichern könnte."

     

    Nicht ganz. Siehe z.B. heute das Interview mit einem Speicherexperten im Portal "Klimaretter":

     

    "Energiespeichersysteme, die mit einhundert Prozent erneuerbaren Energien funktionieren, gibt es schon heute, sagt Dirk Uwe Sauer, Professor für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen. Damit sie jedoch für die Energieversorgung der Zukunft im großen Stil zur Verfügung stehen, müssen Markteinführungsprogramme gestartet werden, um die Kosten zu senken."

     

    http://www.klimaretter.info/energie/hintergrund/15663-qder-energiespeicher-markt-wird-erwachsenq

  • KG
    Klaus gegen Zensur

    Stark angefangen. Dann aber nur noch sich selbst zusammengezimmerter quatsch. Um in den Worten des guten Teils des Artikels zu bleiben.

  • J
    jb

    Dieser Text sollte übersetzt werden!

  • AF
    Achim Fahnenschild

    Die "Erneuerbaren Energien" werden weder in der Lage sein ein Industrieland mit Energie zu versorgen, noch einen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten können. Das hat z.B. Hans-Werner Sinn mit seinem Vortrag "Energiewende ins Nichts" eindrucksvoll bewiesen. Es hat deshalb auch keinen Sinn die angeblich hohen Kosten der konventionellen Energien incl. Umwelt- und Klimaschäden dagegen zu rechnen. Wer unbedingt CO2 reduzieren will, muß auf Kernkraft setzen. Dies hat man offensichtlich in Europa begriffen, selbst die Grünen z.B.in England. In Spanien hat man die Ökostromförderung eingestellt und läßt die KKW wieder länger laufen. Auch der fragwürdige Glaube an den angeblich menschengemachten Klimawandel, offensichtlich eine Erfindung der Atomlobby, wird sich bald in Luft auflösen.

    Es wird Zeit, daß auch in Deutschland wieder Vernunft einkehrt, um den Schaden für Wirtschaft, Verbraucher und Umwelt zu begrenzen.

  • K
    Ökostromnutzer

    AM Anfang dachte ich noch: endlich mal einer, der versucht, neutral und objektiv zu sein. Aber dann kommen doch nur wieder die populistischen Platitüden. Sorry, aber so ein Artikel bringt niemanden weiter. Vor allem nicht die Energiewende. Die braucht den vielbeschworenen Mut zur Wahrheit. Kein Geschwafel von Kartell und Bestechungsgeldern und die üblichen inhaltsleeren Feindbilder.

  • G
    gut!

    Wow, guter Artikel und mir ist beim lesen auch nur ein Rechtschreibfehler aufgefallen.