Die bittere Wahrheit über die „Bild“: „Wir waren zuerst Pegida“
„Bild“ will Pegida entlarven – und entlarvt vor allem sich selbst. Sie erkennt endlich, was andere schon wussten: dass sie eine rassistische Zeitung ist.
BERLIN taz | „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht“ hieß einst der Werbespruch der Bild-Zeitung. Und endlich hat sie ihren Mut gefunden. „Bild entlarvt Frau Pegida“, schreibt sie in ihrem Aufmacher und verspricht die „Wahrheit“ über die Pegida-Thesen. Geht es um den rassistischen und islamophoben Kern auf dem die Dresdner Demos basieren? Nicht ganz. Es geht darum, dass die Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel behauptet, man habe jahrelang „weder das Wort Asyl in den Mund nehmen, noch über Migranten sprechen können“. Das, schreibt Bild, ist falsch: Die Bild habe schon lange vor Pegida diese „brisanten Themen“ angeschnitten.
Die Bild als Hipster der Alltagsrassisten? Der, der schon islamophob hetzte, als es noch nicht beim Mainstream der gut 20.000 Pegida-Demonstranten cool war? Das könnte tatsächlich stimmen. Die Belege liefert die Bild-Zeitung gleich selbst. Etwa den Titel „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ aus dem Jahr 2010, in dem sie – wie jetzt Oertel – so tut, als würden Rassismen nicht jederzeit und immer wieder ausgesprochen. Oder „Die bittere Wahrheit über Ausländer und Hartz IV“ ebenfalls aus dem Jahr 2010, die das Bildblog schon damals als Unwahrheit entlarvte.
Die Bild-Zeitung liefert bei ihrer Mutprobe neben den Bildern ihrer alten Titelseiten sogar auch Text – nicht viel, aber immerhin. Und dort zählt die Bild weiter auf, wie sie schon lange vor Pegida Pegida war. „Die Zahl der Asylbewerber stieg 2014 wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr“ und verweist darauf, dass deshalb „Gesetze verschärft“ wurden. Klar, denn Asyl ist ja nicht eine Frage der Verfolgung und des Schutzes, sondern eine der Zahlen. Wenn zu viele kommen, müssen es halt weniger werden. Sollen sie halt draufgehen.
Und sie brüstet sich damit, dass sie Auszüge von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ schon vor dessen Erscheinen 2010 abgedruckt habe. Kein Wort dazu, dass Sarrazins Thesen von seriösen Wissenschaftlern längst widerlegt wurden und sich Deutschland sogar eine Rüge der UN einhandelte, weil hierzulande Publikationen veröffentlicht werden, die zu „rassistischer Diskriminierung anstiften“. Toll gemacht, Bild. Und schön, dass dir deine eigene Ähnlichkeit zu Pegida endlich auffällt.
Aber wenigstens reklamiert Bild die Ehre nicht nur für sich allein: „Andere Medien“ hätten auch mitgeholfen. Beispielsweise der Spiegel, der ja ebenfalls Thilo Sarrazins Buch vorabdruckte. Auch hier, nichts Neues, aber schön, dass es auch der Bild aufgefallen ist: Denn es gibt zahlreiche Medien, die sich die Krone des Rassismus aufsetzen können.
Der Spiegel zum Beispiel titelte schon 2007 mit „Die stille Islamisierung“ und der Bildchef des Magazins war stolz auf ein „klasse Titelbild“, bei dem ein Halbmond über dem Brandenburger Tor aufgeht. Pegida-Sprech und platte Symbolik lange vor Pegida.
Jedenfalls: Heute wissen Bild-Leser wirklich mehr. Mehr über ihre Zeitung. Und jetzt könnte Bild noch ein paar andere Wahrheiten drucken. Über ihre Homophobie, ihren Sexismus und ihren Hass auf Arme und Arbeitslose.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau