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Netzexperte über Netzneutralität in USA„Drosselung gibt es schon jetzt“

Der Plan der USA, die Netzneutralität abzuschaffen, wird sich auch auf die europäische Debatte auswirken, sagt Alexander Sander. Jetzt seien die Verbraucher gefordert.

Schnell, schneller, Überholspur: Die Netzneutralität ist bedroht Bild: dpa
Paul Wrusch
Interview von Paul Wrusch

Herr Sander, die USA planen das Ende der Netzneutralität. Was bedeutet das für die Debatte in Europa?

Alexander Sander: Hier läuft aktuell die Debatte noch. Zwar hat sich das EU-Parlament kürzlich für die Netzneutralität stark gemacht, der Europäische Rat muss sich aber noch positionieren. Die Pläne in den USA nutzen jetzt in erster Linie denjenigen, die die Netzneutralität abschaffen wollen. Die können jetzt sagen: Schaut her, die USA machen das doch auch. Wobei die Formulierungen bisher recht schwammig sind. Es wird sicherlich Klagen dagegen geben, über die letztlich US-Gerichte entscheiden werden.

Können auch die Verfechter der Netzneutralität in Europa profitieren?

Wenn man noch in diesem Jahr konkrete Auswirkungen in den USA merkt, dann schon. Etwa, wenn Verbraucher gegängelt werden oder es Startups schwieriger haben als bisher. Solche negativen Auswirkungen können die Debatte auch positiv beeinflussen.

Hat das Thema auch Auswirkungen auf die Verhandlungen rund um das Freihandelsabkommen TTIP?

Durchaus. Wenn das Freihandelsabkommen durchkommt, können etwa Unternehmen, die nach Europa kommen, argumentieren, dass sie hier unter den selben Spielregeln wirtschaften wollen wie in den USA. Wir sehen diese Gefahr jedenfalls und setzen uns weiter dafür ein, dass die Netzneutralität in Europa gesichert wird.

Sie erwähnten Schwierigkeiten für Startups. Welche sind das?

Wenn sich nur finanzstarke Unternehmen künftig eine Überholspur im Internet leisten können, werden neue Unternehmen benachteiligt. Wenn Skype etwa dafür zahlt, dass sein Dienst bevorzugt wird und sich ein Startup gründet, das einen ähnlichen Dienst anbieten will, konkurriert es künftig auch um schnelle Internetleitungen. Das kostet natürlich Geld, was dann nicht mehr für tatsächliche Innovationen genutzt werden kann.

Bild: privat
Im Interview: Alexander Sander

30, ist Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft. Zuvor war er drei Jahre in Brüssel Mitarbeiter eines Mitglieds des Europäischen Parlaments.

Die US-Kommunikationsbehörde FCC plant, dass Provider keine Dienste verlangsamen dürfen, sondern finanzstarke Anbieter ihre Inhalte schneller durchs Netz leiten lassen können. Was spricht dagegen?

Das Kernproblem ist, dass der weltweite Internetverkehr permanent zunimmt und gleichzeitig der Breitbandausbau kaum vorankommt. Das führt schon jetzt automatisch zu einer Drosselung des Geschwindigkeit. Wenn dann also eine Art Überholspur dazugekauft wird, ist das keine direkte Drosselung, aber eine indirekte wegen mangelnder Leitungen. Am Ende gibt es dann trotzdem ein Zweiklassen-Internet.

Welche Nachteile haben Verbraucher, wenn die Netzneutralität fällt?

Es wird zunächst zu einem kaum durchschaubaren Tarifdschungel kommen. Es wird unendlich viele Tarifoptionen geben, mit Paketpreisen und so weiter. Der normale Verbraucher wird kaum mehr überblicken, was für einen Internetvertrag er eigentlich benötigt.

Hätten nicht manche Verbraucher auch Vorteile von schnelleren Angeboten. Etwa solche, die im Netz vorwiegend Streaming-Dienste nutzen?

Das glaube ich nicht. Es gibt kaum Internetuser, die nur Skype oder nur Streaming-Dienste nutzen. Das ist eine Minderheit. Für die meisten wird es sich aber verschlechtern, wie erwähnt, besonders bei undurchschaubaren Tarifen. Ähnlich, wie sie jetzt schon im Mobilfunkbereich angeboten werden.

Welche Möglichkeiten hat der normale Internetuser, der sich für die Netzneutralität stark machen will?

Man kann sich in Vereinen engagieren, Petitionen starten, bloggen. Man kann Abgeordnete und Ministerien schreiben, sich beim Provider beschweren. Das wichtigste ist aber, dass man sich schlicht darüber informiert.

Für viele ist Netzneutralität ein sehr abstraktes Thema...

...das stimmt, sexy ist das nicht. Aber wir versuchen das durch einfache Formulierungen verständlich zu machen, die technischen Details zu übersetzen. Etwa, indem wir vom Zweiklassen-Internet sprechen. Wenn es aber um die Gesetzesformulierungen geht, um die technischen Detailfragen, wird es kompliziert. Da muss man sich schon eine Weile mit dem Thema befassen, um dann die Fallstricke ausmachen zu können.

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9 Kommentare

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  • Der US-Misbrauch von der USueberherschenden Internetsituation ist global,also muss die Antwort auch international gefunden werden.Die EU soll mit China,Russland,SuedAmerika,India,Japan eine Alternative entwickeln,und besonders nachdem Obama nicht geneigt war etwas in seinen SpionageAktivitaeten zu aendern.Die Europaeer duerfen seine Kriege kaempfen+bezahlen aber sich nicht ueber Spionage beschweren

  • Welch ein Unsinn, Rainer B.! Ein Staat wird doch nicht allein durch Parteien repräsentiert. Von wem haben Sie denn das? Welches Staatswesen wollen Sie denn, wenn Ihnen das, in dem Sie heute leben nicht gut genug ist? Sicher, es ist sehr, drängend verbesserungswürdig, aber welche Verbesserungen wollen Sie denn? Sie und Ihre eventuellen Mitstreiter?

     

    Das Internetzeitalter hat erst begonnen und ein PC mit Internetanschluß wird nicht zur Pflicht. Auch das Handy am Ohr oder Smartphone wird nicht zur Pflicht zum Geldabgreifen, Datensammeln und Datenverschieben.

    • @Gerda Fürch :

      Nicht alles, was man (noch) nicht versteht, ist auch Unsinn. Der Staat,- das sollten ja alle sein und er sollte auch für alle da sein. Genau das ist derzeit eindeutig nicht der Fall. Der Staat ist hier heute nur ein Instrument zur Umsetzung der Interessen der großen Parteien, hinter denen wiederum nur die Interessen der Industrie und des Geldes stehen. In dieser Form des Staates führt jede "Verbesserung" immer nur zu einer Verstetigung der Verhältnisse, die für wenige ständig besser und für die meisten nur schlechter werden.

       

      Für Sie mag das Internetzeitalter ja gerade erst begonnen haben, aber global geht es langsam aber sicher schon zu Ende. Restriktionen in China, Arabien oder der Türkei etc. sind erst der Anfang vom Ende. Was bleibt, ist ein Monstrum zentralistischer Herrschaft, das mit der ursprünglichen Idee des Internets als dezentralem Kommunikationsmittel nichts mehr zu tun hat.

      Noch können Sie z.B. ihre Steuererklärung auf Papier abgeben, doch ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die elektronische Steuererklärung Pflicht wird. Noch können Sie Überweisungen am Bankschalter erledigen, aber in absehbarer Zeit werden Sie dazu zwingend ein Handy, oder eine Chipkarte mit Internetanbindung benötigen. Die kontrollträchtigen Bereiche werden bestehen bleiben und weiter ausgebaut, während die kommunikativen und kreativen Bereiche des Internets nach und nach abgewürgt werden.

  • Der Wegfall der Netzneutralität wird zu einer weiteren Zentralisierung und Monopolisierung führen - der feuchte Traum von staatlichen (Überwachungs-)Behörden und großen Konzernen, um ihre Macht zu zementieren.

     

    Aber hoffentlich sind dann die Websites dann nicht mehr so voll mit Javascript, Flash etc. ;-)

  • Der Versuch, die Netzneutralität aufzuheben, ist ein recht eindeutiger Indikator dafür, dass das Internet seinen Zenit bereits überschritten hat. Investitionen in neue Breitbandnetze finden kaum noch statt, also schränkt man den privaten Sektor ein, der ohnehin nur zur Finanzierung der vorhandenen Netze gebraucht wurde.

    So, wie der Trend im Straßenverkehr zurück zum Kopfsteinpflaster geht, bewegt sich der Trend im privaten Datenverkehr zurück zum 56k-Modem. Man hat beide Sachgebiete ja bereits in einem Ministerium zusammengelegt.

    In 10 Jahren wird ein Computer für Privathaushalte vollkommen nutzlos sein, gleichwohl wird er Pflicht werden zum Geldabgreifen, zum Datensammeln und zur umfassenden Kontrolle - allein für Zwecke des Staates und die ihn repräsentierenden Parteien. Das Internet stirbt erst den langsamen Daten-Tod und dann später den Energie-Tod, oder vielleicht sogar umgekehrt. Leute, überlegt euch genau, ob ihr da noch weiter Geld reinsteckt!

  • Wenn das TTIP-Freihandelsabkommen durchkommt (will ich auch nicht, mit welcher Lobby?) können Unternehmen, die nach Europa kommen, argumentieren, daß sie hier in Deutschland unter den selben Spielregeln wirtschaften wollen wie in den USA. Aha!

     

    Nun, dann können europäische und deutsche Unternehmen argumentieren (jüngstes Beispiel der VW-Werke in den USA), daß sie in den USA auch unter den selben Spielregeln wirtschaften wollen und sogar müssen wie in Deutschland!

     

    Zu diesen Spielregeln gehören freie und geheime Betriebsratswahlen, freie und unabhängige Gewerkschaften einschließlich Sparten (Maschinenbauer, Lokführer, Piloten und Lotsen, Krankenschwestern, Putzfrauen .......) mit gesetzlich garantierten Arbeitskämpfen wie Streiks und Warnstreiks durch Betriebsräte und Gewerkschafter per Urabstimmungen!

     

    Das gehört zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit!

  • Sind doch klare Aussagen auf gute Fragen, lieber Oscar. Dieses Interview verstehe ich als "Digital Immigrant" jedenfalls gut und nicht "Zug bleibt stehen und Bahnhof fährt ab."

     

    Ich habe schon Yahoo! und Microsoft gebeten, mich nicht weiter zu ärgern. Ansonsten, wenn sich nichts bessert, laufe ich zu "Microsoft" in Berlin Unter den Linden/Ecke Charlottenstraße und versuche dort die Kommunikation auf Augenhöhe - zwecks Deeskalation.

     

    Oder ich besuche mal den "Chaos Computer Club" in Berlin mit seinen Freaks und etlichen "Digital Natives".

    • @Gerda Fürch :

      "Digital Native" zu sein bedeutet laut Wikipedia ja nur, mit den modernen, digitalen Technologien aufgewachsen zu sein. Das impliziert m.E. noch lange nicht ein Gespür oder Verständnis für Dinge wie Netzneutralität, Datenschutz oder die grobe Funktionsweise des Internets.

  • Ich verstehe sowieso nur Bahnhof.