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zwischen klapplager und schweizermesser von CAROLA RÖNNEBURG

Der Liegewagen nach Bologna ist überfüllt. Offenbar wurden einige Plätze doppelt vergeben, und mancher spontan Reisende hat sich zusätzlich eingefunden. Ein sehr kleiner Mann, der Schaffner, drängelt sich durch den Gang. Er ignoriert alle, die verzweifelt mit ihren Reservierungen wedeln, er hört nicht auf deutsche oder englische Worte, er will dem Chaos von Grund auf begegnen. „Non fumare!“, staucht er ein schüchternes Grüppchen zusammen, das sich am Ende des Waggons in Geduld übt. Hier wird nicht geraucht, schreit er wie angestochen in die andere Richtung, schiebt energisch eine ältere Dame zur Seite und ward nicht wieder gesehen: Ab jetzt gilt das Recht des Stärkeren.

Unsere Klapplager sind uns immerhin sicher. Über das Abteil wacht eine Mittfünfzigerin, die uns nach kurzem Kreuzverhör („Wollen Sie auch nach Rimini?“, „Schnarcht einer von Ihnen?“) wieder hinausgescheucht hat. Sie will sofort schlafen gehen. Für ihren Mann hat sie extra nebenan gebucht. Der schnarcht nämlich und soll nicht sie, sondern andere stören. Morgen früh wird sie um sechs Uhr die Jalousien hochziehen, sich lautstark mit ihrem zurückgekehrten Gatten unterhalten und mir erklären, wir hätten ja nicht so lange aufbleiben müssen.

Im Korridor wuchten noch immer gereizte Menschen schwere Koffer hin und her, reißen Türen auf, beschweren sich. Der Zug, ein Modell aus den ersten Tagen der langen Überlandfahrten, lärmt gen Süden. Im Bistro erstehen wir die letzte Flasche Mineralwasser. In Karlsruhe haben wir Aufenthalt, fast eine halbe Stunde, aber der bemützte Bahnhofsvorsteher will nicht sagen, ob die Zeit reicht, die Vorräte aufzufüllen.

Die Fahrt geht weiter. Wir stehen am Fenster und blicken ins Schwarze. „Was meinst du, wo wir jetzt sind“, frage ich. „Ich habe gerade nicht aufgepasst“, sagt er, „willst du schlafen gehen?“ – „Nein, ich bin noch gar nicht müde.“ Die ersten Mitreisenden dagegen übergeben sich an ihr Schicksal und auf den Boden. Ein dünner junger Italiener gleitet unter einen belegten Klappsitz. „Sie gestatten“, fragt er höflich den übergewichtigen Mann, der versucht, sich hier im Gleichgewicht zu halten. Eine gelenkige Schwedin rollt sich auf ihrem Koffer zusammen. Überall sind die Lampen gelöscht und die Vorhänge zugezogen. Gleichgültigkeit und Ruhe kehren ein. Im matten gelben Schein der Nachtbeleuchtung klettern wir vorsichtig über Reisetaschen und Schlafende und finden zwischen Toiletten- und Ausstiegstür ein winziges Reservat zum Ausruhen. Der Zug klackert und radaut über die Schwellen. Eng aneinander geschmiegt, lassen wir uns durchrütteln. „Dann gib mir doch mal das Schweizermesser“, sagt er und zieht den mitgebrachten Rotwein aus dem Rucksack. Ich wickle die Gläser und den Reiseaschenbecher aus dem Küchenpapier. Der Wein schmeckt herrlich: „Auf die Ferne!“ Wir trinken und küssen, plaudern und rauchen und halten Händchen. „Weißt du noch, wie wir zum ersten Mal zusammen weggefahren sind“, fragt er.

Ja, das weiß ich noch ganz genau. Das war auch so schön.

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