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zwischen den rillenZukunftsweisender Hintern

Moonchild Sanelly: „Full Moon“ (Transgressive/PIAS)

Moonchild Sanellys Auftritt beim Reeperbahn Festival im vergangenen Herbst bleibt unvergessen. Wie eine Naturgewalt hat die Südafrikanerin die Bühne des kleinen Hamburger Clubs Gruenspan geentert, knapp bekleidet mit Body und Lackmieder. Auf dem Kopf trug sie eine Perücke aus blauen Wollzöpfen, der sogenannte „Moon Mop“ ist ihr Markenzeichen. Bereits nach wenigen Takten war klar: Die südafrikanische Sängerin ist eigenwillig und edgy, gerade live steht sie mit voller Wucht für Female Empowerment, Body Positivity plus sexuelle Selbstbestimmung.

Die Songs ihres dritten Albums „Full Moon“ bekräftigen diesen Eindruck: Das Selbstbewusstsein der Künstlerin, es ist schlicht unerschütterlich. „Big Booty“ ist eine Art Liebesbrief an ihren Hintern. „It’s an earthquake when I bounce that booty“, kokettiert sie. Nicht nur bei diesem Track fließen einige Sätze aus ihrer Muttersprache ein, Moonchild Sanelly, geboren als Sanelisiwe Twisha in Port Elizabeth, wechselt pausenlos von Xhosa nach Englisch und wieder zurück. Den Zu­hö­re­r:innen stellen sich Rätsel: In welches Genre gehört diese Musik bloß? Also verschafft die Mutter von drei Kindern ihren Fans kurzerhand selber Klarheit, indem sie die Kategorie „Future Ghetto-Funk“ eingeführt hat. Auf jeden Fall hat sie eine eigenwillige künstlerische Handschrift entwickelt. Die Kombination aus Klängen ihrer südafrikanischen Heimat und westlichen Stilen funktioniert gut. Mal changiert Moonchild Sannellys Sound zwischen Amapiano, einem südafrikanischen Dancefloorstil und Deep-House, zwischen Jazz und Folk-Elementen, zwischen dem Dancefloor-Subgenre Gqom und Afro-Punk, mal flirtet er mit HipHop, immer ist die Musik von Moonchild Sanelly im Pop verankert.

Könnte sie mit ihren tanzbaren Beats zur afrikanischen Queen of Pop werden? Zumindest denkt sie selbst groß und verkündet in „To kill a single Girl (Tequila)“, eigentlich ein Stück über eine neue Liebe, ohne jegliche Scheu: „I’m a born star“.

2019 lud auch Superstar Beyoncé sie ein, gemeinsam das Lied „My Power“ für den Soundtrack von „The Lion King: The Gift“ zu komponieren und zu singen. Von ihrer weltberühmten Kollegin unterscheidet Moonchild Sanelly allerdings etwas ganz Wesentliches: Sie wirkt nahbarer als die stets perfekt anmutende US-Künstlerin. Bei ihren Konzerten hüpft sie umher wie ein Gummiball, sie redet gern mit dem Publikum, mitunter steckt in ihren frivolen, teils derben Texten durchaus Humor, prinzipiell kreist sie um ihre eigenen Befindlichkeiten. In der Selbstermächtigungshymne „Do my Dance“ verkündet sie: „I don’t take no rules from a mouth / I just love to live on my own terms“.

Keine Selbstverständlichkeit – jedenfalls nicht bisher – sind die nachdenklichen Texte. Sie offenbaren, dass in Moonchild Sanellys Künstlerego tiefe Zerrissenheit schlummert. Es gab Phasen, in denen ihr Leben in Scherben zu liegen schien. Kurz vor ihrem Umzug nach Johannesburg wurde sie als junge Frau ungewollt schwanger. Wenn sich die Sängerin in dem soften Song „Falling“ diese schwierige Zeit wieder in Erinnerung ruft, spricht aus ihren Worten die Angst vor dem Scheitern. Mit Sätzen wie „It’s not my baby / That’s what he said“ konfrontiert sie sich noch einmal mit dem Schmerz aus ihrer Vergangenheit, um ihn dann endgültig loszulassen.

Immerhin haben ihr schlechte Erfahrungen wie diese geholfen, zu jener starken Künstlerinnenpersönlichkeit zu werden, die sie heute ist. Im Finale „I was a Curse“ brüstet sich Moonchild Sanelly voller Stolz: „I put my hands in the sky / ’Cause I’m proud of the girl I’ve become“. Ihre Nummern sind wie eine Rüstung, die Fans auf einem Selbstfindungstrip musikalische Unterstützung spendieren kann.

Mit „Full Moon“ beweist Moonchild Sanelly einmal mehr, dass sie eine der vielversprechendsten Künstlerinnen Südafrikas ist. Dagmar Leischow

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