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zwischen den rillenIstanbuls Nächte

Während sich in den letzten Jahren die elektronische Tanzmusik in den Vordergrund und in die Charts gespielt hat, in den USA sogar in großen Stadien, hat sich in ihrem Windschatten eine umtriebige Underground-Bewegung entwickelt. Reich wird man auf diesem Do-it-Yourself-Level eher nicht. Was an steigenden Umsätzen fehlt, wird durch Idealismus zwar nicht wettgemacht, aber doch ein Stück weit ersetzt.

Trotz widrigster Produktionsbedingungen funktioniert etwa das Liebhaber-Label Macadam Mambo aus Lyon, weil es mit seiner Spürnase immer wieder Newcomer ans Licht bringt. Labelchef Sacha Mambo hat ein Herz für neue Talente und ist für sein aktuelles Werk in Deutschland fündig geworden, genauer gesagt in Dresden. Dort wohnt nämlich Marius Housch­yar. Houschyar wiederum studiert beim (Berliner) Elektronikproduzenten und bildenden Künstler Carsten Nicolai an der Dresdner Hochschule für Bildende Kunst.

Statt es seinem Lehrer Nicolai gleichzutun, der als alva noto (und etwa in seiner Zusammenarbeit mit dem japanischen Popstar Ryuichi Sakamoto) einer der schillerndsten Sterne der minimalistischen Computermusik ist, wendet sich Houschyar poppigen Gefilden zu. Bis dato eher spärlich: Er veröffentlichte drei Tracks auf Compilations, zuletzt bei Sacha Mambo.

Umso mehr begeistert nun die Raffinesse von Houschyars Debütalbum „Temmuz“. Temmuz ist türkisch und heißt: Juli. In so einem Sommermonat entstand nämlich Housch­yars Album im Wohnzimmer der zeitweiligen Residenz; gelegen am Bosporus, also in Istanbul. Die drückend-heißen Juli-Nächte der türkischen Metropole standen Pate für sieben vortreffliche Tracks, denen man ein Dampfen und Schwitzen bei der Entstehung durchaus anhört.

Genremäßig ist Houschyars Sound derweil nur schwer einzufangen; seine Referenzen vielfältig, von überallher, aber eklektisch aufgelöst. Berliner Schule und Kosmische Musik, Krautrock, Psychedelia, New Wave, Synthesizer-Exotika – irgendwo zwischen Komposition und Improvisation liegt sein Stomping Ground. Dazu gesellen sich die Klangeindrücke der Istanbuler Nächte: Zumeist sind es die mikrotonalen Stimmungen der Saz und der Oud. Schon beim ersten Hören fällt die hervorragende Produktionsqualität auf, Mixing und Mastering sind delikat und ermöglichen es dem Künstler, überhaupt erst die vielen Input-Lines zu bändigen.

Mono-Synths, Drum-Machines, Akkordfolgen, Arpeggiatoren – ein ganzer Fuhrpark sorgt für Stimmung. Das mutet zwischenzeitlich auch jazzig an, entwickelt einen konzentrierten, tiefen Vibe und bleibt spannend bis zum letzten Ton. 44 Minuten, die stilprägend sein könnten – so spielerisch, mitreißend, verführerisch klangen wenige elektronische Alben der letzten Monate. Selbst auf grandios kuratierten Labels wie Macadam Mambo.

Lars Fleischmann

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