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zwischen den rillenBerlin wird bescheiden

Jeans Team machen Musik für die Zeit nach dem Hauptstadtgetöse. Weniger kantig, weniger auffallend, weniger laut

Wenn man sich anhört, was Wir sind Helden, Paula, Quarks und andere Berliner Bands mit diesen sehr sprechenden Namen produzieren, dann ist man schnell gelangweilt. Der Sound of Berlin, der im vergangenen Jahrzehnt so sehr beschworen wurde, ist also doch nichts weiter als Beliebigkeitspop, dazu kommen billige, manchmal etwas motzige Herzschmerztexte. Nicht umsonst sind daher auch die süßen Schlager der Schnulzenrocker von Rosenstolz plötzlich in den Jugendsendercharts der ganz heiße Scheiß.

Da muss man sich doch fragen, was das denn war, dieser Sound of Berlin, von dem einstmals alle – na ja, zumindest ein paar PlattenverkäuferInnen und Kölner SzeneartikelschreiberInnen – schwärmten. Im Rückblick lässt sich sagen, dass es, neben Techno, die Plattenfirma Kitty Yo war, deren Bands und Platten die Legende beförderten, dass der Berliner Indierock mehr sei als nur ein Ereignis für Freundinnen und Freunde, sondern gewissermaßen von nationaler Bedeutung. Das Label, das aus einem Fanzineprojekt hervorging, schien Mitte der Neunziger alles zu können: Das Rocktrio Surrogat wurde hochgejubelt, die Kanadier Gonzales und Peaches wurden zu Ereignissen, Laub wurde gepusht, der fast noch jugendliche Raz Ohara entdeckt und der selbstverliebte Hinterhofbarde Maximilian Hecker wurde von Kitty Yo zu einem begehrten Frauenliebling stilisiert. Nicht zu vergessen die auch international hoch angesehenen Bands Tarwater und Rechenzentrum.

Doch bei genauerem Hinsehen erwies sich, dass viele Kitty-Yo-Stars gar keine Berliner sind, etwa Kante, Louie Austen, Go Plus oder Couch, und dass sich der Traum vom international erfolgreichen Indielabel nicht verwirklichen ließ – Labels wie Morr Music oder Bpitch Control, die nicht so sehr auf die Berlin-Karte gesetzt haben, erwiesen sich auf Dauer als erfolgreicher. Die Lokalpatrioten von Kitty Yo zerstritten sich schließlich untereinander, das Imperium zerfiel, bevor es wirklich herrschen konnte. Heute ist Kitty Yo nicht mehr das Label, das laut auf seinem Kultstatus besteht, und macht dabei sehr ordentliche Arbeit.

Eine Band, die einst ebenfalls dazugehörte und sich bereits als Kitty-Yo-Band fühlen konnte, bevor erste Platten erschienen, war Jeans Team. Benannt hat sich das Quartett nach einem Werbeschild, der Name klingt nach Tempelhofer Ausfallstraßen und auf Jugendlichkeit getrimmte Enddreißigerei. Ihre Debütplatte „Ding Dong“ von 2000 (die als aufwendige Doppel-CD noch mal 2001 mit Bonusstücken erschien) klang nach kaputter Elektronik, nach Neuer Deutscher Welle, aber eben nicht nach Nena und Spider Murphy Gang, sondern nach Trio, Der Bewegte Mann oder Wirtschaftswunder. Die Stücke „Hi Fans“ und ein großartiger Remix von „Keine Melodien“ wurden so etwas wie kleine Hits, kurzzeitig schien es sogar, dass ein Major-Label die Platte übernehmen würde, doch bis auf eine Maxi wurde daraus nichts.

Jeans Team hatten komische Texte, machten komische Musik, präsentierten sich komisch auf ihren Pressefotos, waren alles andere als langweilig und wurden dennoch über den Freundeskreis rund um die legendäre Galerie berlintokyo bekannt. Ihr Auftreten war ungestüm, ihre Texte ein bisschen Dada, und die Hornbrille oder das gepflegte Foucault-Leser-Gesicht war nicht ihr Markenzeichen. Wenn es eine Platte gab, die den Geist der Neunziger in Berlin-Mitte fassen konnte, dann war das vielleicht „Ding Dong“, mit aller Albernheit und Kindischkeit.

Über vier Jahre später nun die neue Platte, auf dem Label des einstigen Kitty-Yo-Mitbegründers Patrick Wagner, eine Single vorab, die „Berlin am Meer“ heißt. Die Platte selbst heißt „Musik von oben“, ein schöner Titel, doch plötzlich ist die Albernheit raus. Jeans Team sind, bei aller Verspieltheit, auf eine merkwürdige Art professioneller geworden, noch immer sind sie anspielungsreich ohne Studentenpop zu machen, doch die Stücke sind weicher, weniger kantig, weniger auffallend, weniger laut. Das passt zu der Bescheidenheit, die Berlin nach all dem Getöse der Neunziger pflegen muss, ist jedoch, wie die offizielle Stadtpolitik oder der durchsanierte Bezirk Mitte, nicht mehr wirklich aufregend. Das allerdings ist, wenn man es in Ruhe betrachtet, gar nicht schlecht. „Musik von oben“ ist eine Platte, die man gern mehrmals hört, weil sie einen nicht so aufregt wie „Ding Dong“. Sie ist, man ist schön ruhig. JÖRG SUNDERMEIER

Jeans Team: „Musik von oben“ (Louisville Records/Universal)

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