zwischen den rillen: HipHop und Welt: Busta Rhymes, Wu Tang-Clan
Wer den Plan hat
Vielleicht ist er doch ein Visionär. Denn angesichts von Busta Rhymes’ neuer Platte „Genesis“ darf man feststellen: Es ist so gut wie alles eingetroffen, was er auf seiner Weltuntergangs-Tetralogie angekündigt hatte.
Auf seinem ersten Soloalbum „The Coming“ hatte er sein Kommen angekündigt; mit „When Disaster Strikes“ hatte er prophezeit, es werde ein großes Unglück geschehen; auf seiner dritten Soloplatte „Extinction Level Event – The Final Front“ hatte er die Welt, wie wir sie kennen, untergehen lassen, mit einem brennenden Downtown-Manhattan auf dem Cover; auf „Anarchy“ schließlich war aller Tage Abend, alle gesellschaftlichen Verträge ungültig. Hoho, hatte man sich damals gedacht, Millennium-Angst, wenn das nicht mal ein bisschen dick aufgetragen ist. Und nun schaut man sich um, und tatsächlich – World Trade Center weg, Völkerrecht noch da, aber viel mehr auch nicht. Sapperlot. Nun weiß man bei Busta Rhymes nie so genau, ob er eigentlich gerade die Welt meint oder sich selbst. Schließlich handelte seine ganze Weltuntergangs-Plattenserie auch davon, dass er und seine Kumpels vorhatten, den ganzen Laden zu übernehmen, wenn es so weit sei – wenn sie die restliche Rapszene sturmreif getextet hätten. Aber Welt hin, HipHop her – wenn Busta Rhymes nun schon mit seherischen Gaben gesegnet ist, was kann man denn aus „Genesis“ für Erkenntnisse ziehen?
Direkt natürlich gar keine. Die Texte sind verrätselt wie eh und je. „As we welcome you after the future / Oh! we come to give you that / Operating like we be official / Yeah! we come to mutiply“, singt ein Kinderchor und Rhymes rappt: „Touch the love I got like you holdin my heart in my hand / And watch my manifest that shit was all a part of the plan.“ Das kann alles Mögliche bedeuten: Im Zweifelsfalle läuft es darauf hinaus, dass die anderen Rapper nichts taugen, im Unterschied zu Busta Rhymes und seinen Kumpels von der Flipmode Squad.
So weit also wenig Neues. Auch das musikalische Gesamtkonzept unterscheidet sich wenig von dem der Vorgänger-Platten. Das machen, was die anderen machen, bloß ein bisschen mehr übertreiben. Busta Rhymes hat sich mit den Neptunes und Dr Dre die amtlichen HipHop-Produzenten der Gegenwart eingeladen und mit Mary J. Blige und Kelis die entsprechenden Duettpartnerinnen. Das ist ganz große Kunst (und hier unterscheidet sich „Genesis“ dann doch von ihren Vorgängerinnen, die – den visionären Gehalt beiseite geschoben – am Ende des Tages eben alles in allem doch nur genug gute Stücke für eine Best-Of-Compilation transportierten).
Auch der Wu Tang-Clan hat alles gewusst: „It’s the WTC, Word Trade Center / Wu Tang-Clan“, heißt es in „Back In The Game“ und da wäre man tatsächlich gerne Mäuschen gewesen, als Ghostface Killah aufging, dass am 11. September zuerst und vor allem der Wu Tang-Clan und ihr Wortverkaufszentrum angegriffen wurden. Auch beim Wu Tang-Clan ist es nur schwer auseinander zu halten, ob sie eigentlich sich meinen oder die Welt.
Ansonsten ist hier aber alles anders als bei Busta Rhymes, einen Plan hat hier nämlich eigentlich niemand. Das sah Anfang der Neunziger noch anders aus. Damals verkündete der Clan, jeder seiner Rapper werde bei einer anderen Plattenfirma unterschreiben, damit sie als Ganzes unabhängig bleiben könnten. Das hörte sich prima an. Und tatsächlich brachten die Clan-Mitglieder einer nach dem anderen ihre Alben heraus, eins besser als das andere.
Doch irgendwann wurde sowohl dem Publikum als auch dem Clan langweilig. Die einen hörten auf, die Platten zu kaufen, und die anderen hörten auf, sich an die Spielregeln zu halten: Das Konzept brach im Chaos zusammen. Folgerichtig gingen selbst so großartige Alben wie „W“ vom vergangenen Winter gingen sang- und klanglos unter. Aber vielleicht ist es ganz gut, dass Wu Tang-Clan nun keinen Grund mehr hat zu glauben, es sei nur noch ein Schritt zur Weltherrschaft: In der Abgeschiedenheit produziert es sich oft am besten.
Tatsächlich ist „Iron Flag“ die beste Wu-Tang-Platte seit ihrem Debüt. Und das liegt vor allem am Sound. Der hat etwas von seinem Breitwandcharakter verloren, auch die Kung-Fu-Samples der früheren Platten finden sich nur noch sporadisch, dafür ist er dicht, düster und getrieben von einfachen Schnipseln aus obskuren Seventies-Soulplatten.
TOBIAS RAPP
Busta Rhymes: Genesis. J Records/ BMG Wu Tang-Clan: Iron Flag. Epic/ Sony
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