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zwischen den rillenHüftschwung, Bläsersätze, Tequilla und duftende Sandsäcke: The Bees

Süßer Honig

Ganz auf sich alleine gestellt sind Bienen recht ratlose Geschöpfe. Nur organisiert in Schwärmen entfaltet sich heiteres Treiben, orientiert am Sonnenlicht und gelebt von Blüte zu Blüte, was gerade anliegt – ganz wie die Liebe, dieses seltsame Spiel. Keine schlechte Idee also von Paul Butler und Aaron Fletcher, sich nach eklektischen Insekten zu benennen.

The Bees leben und arbeiten auf der entlegenen Isle of Wight, einer Insel weitab von den Hauptströmen der Popmusik. Dort haben die beiden Newcomer in aller Ruhe ihr fulminantes Debüt „Sunshine Hit Me“ aufgenommen. Ein Titel, der nicht nur Bienen gefallen dürfte, sondern wörtlich zu verstehen ist. Wie eine warme Welle trifft hier den Hörer ein Wille zum Wohlklang, der in seiner entspannten Präzision derzeit seinesgleichen sucht und nicht findet.

Worum geht’s? Um Popsongs, so schlicht wie schön, die allesamt zu schweben scheinen unter einer Glasur aus unaufdringlichen Seventies-Reminiszenzen. Saxofon, funkige Basslinien, schluchzende Vocals, Mellotron und schepperndes Schlagzeug erinnern an Disco, an Soul, Reggae, seligen Walzer und Psychedelia, wie’s beliebt – gemein ist ihnen nur die federnde Melancholie, diese heitere Traurigkeit. Namen sind Schall und Rauch, vor allem aber Schall – weshalb es legitim ist, hier ein paar davon zu droppen.

Mal klingt es nämlich, als hätte Brian Wilson einen Song für die Beta Band geschrieben, mal, als würde Beck dem guten Stevie Wonder helfen, endlich wieder unendlich cool zu klingen. Da sind die frühen Chicago mit ihren euphorischen Bläsersätzen, der Hüftschwung der Temptations, das melodiöse Gespür von Prefab Sprout. Und weil wir’s mit Briten zu tun haben, darf und muss es auch stellenweise an verschlafene Radiohead erinnern. Zum Aufwachen gibt’s dann eben Tequilla, eine druckvolle Interpretation von Jorge Bens „Minha Menina“, an der sich zuletzt auch Os Mutantes versucht haben.

Zappen durch die Popgeschichte ist eine Sache, die Eindrücke zu beseelen dagegen eine ganz andere. Darum gehören The Bees auch nicht zur stolzen Wir-können-alles-Fraktion, die für ihre Kenntnisse und Fingerfertigkeiten getätschelt werden will – mit einem entspannten Lächeln lassen sie’s einfach rollen.

Selbst Sätze wie „Duhuhu riechst wie ein Sandsack“ erscheinen in diesem Licht wie zärtliche Komplimente. Überhaupt finden sich in den dunklen Winkeln der Songs simple Sentenzen, die sich durch Wiederholung zu Mantras verrätseln: „An Angry Man Needs Attention“, genau, sonst erst mal nichts. Wenn man schon ein Lied schreibt, das wie der verschollene, einzige fröhliche Song von Nick Drake wirken will, dann muss man auch mit den entsprechenden Lyrics rüberkommen. Dann, nur dann, werden Worte zum Kompressor, der die Wirkung der Musik noch verstärkt: „I Wanna Hold You Like The Sky Holds The Sun“.

Der Frühling ist ein Film? Voilà, sein Soundtrack.

ARNO FRANK

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