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zwischen den rillenDer Mann mit der Holzgitarre: Funny van Dannen

Talking Lakonik

Fast schon wieder supermodern, wie schön altmodisch er geblieben ist! Er hat nicht aufgerüstet, keine Groovebox, kein Rhythmuskästchen oder sonstige Gerätschaften angeschafft, ist nicht zum elektrischen Entertainer geworden. Dieses Thema wird im ersten Song der Platte abgehandelt, da behauptet der „Groooveman“ – so der Titel seines neuen Albums – Funny van Dannen: „Manchmal gehen mir Worte auf die Nerven, Instrumentalmusik ist das Beste, wenn der Groove stimmt, ist der Rest egal.“ Darauf folgen 19 weitere Songs, in altbewährter Manier, allein mit der Gitarre, live vor Publikum aufgenommen.

Sein Spiel wird allgemein mit dem unzulänglichen Begriff der Schrammelgitarre beschrieben. Leute, die keine Ahnung haben, behaupten, er könne nicht richtig singen. Dabei kann seine Stimme auch lange Bögen halten, weiß das Tremolo effektvoll einzusetzen, bedient sich an den lang gezogenen Vokalen der Schlagervorbilder. Manchmal so gefühlvoll, dass es einen Stein erweichen könnte, manchmal leiert er den Text auch selbstdistanziert herunter. Dazu spielt Funny auf der akustischen Gitarre genau das, was das Lied zur Begleitung braucht: Keine großen Solos, keine Fingerpicking-Eskapaden, die Schlaggitarre dominiert, hin und wieder wird ein bisschen gezupft, ab und an der Rhythmus variiert.

Dem großen Charme seiner Darbietung liegt das alte Prinzip „Mann mit Holzgitarre singt von sich selbst und der Welt“ zugrunde. Ein Modell, das außer bei ihm nur bei sehr wenigen Künstlern, vielleicht bei Jonathan Richman, Daniel Johnston, eventuell noch beim frühen Billy Bragg, zu ertragen ist. Funny van Dannen versucht, mit einfachen Mitteln Abwechslung zu bringen. Manche Lieder beginnen mit einem Pfeifen, die infernalische Mundharmonika gedenkt Bob Dylans, manchmal gibt die sonore Sprechstimme einleitende Erklärungen à la „Talking Blues“ zu den ersten Akkorden ab.

Die Kulturgeschichte der letzten 40 Jahre – Fernsehwesternmelodien, aktuelle Sprachstereotype, Werbeweisheiten, Trinklieder – wird in seinen Liedern zu sozialen Reportagen, surrealen Kinderliedern und Protestsongs, zur Enzyklopädie des Alltags. Wenn Archäologen eines fernen Tages auf „Groooveman“ stoßen, werden sie anhand dieser CD herausfinden, dass die Menschen um 2002 aus Kummer Raffaelos essen, über Eminem diskutieren, in Billy-Regale fallen, auf Schumacher tippen, Red Bull mit Wodka trinken, eng zu R & B tanzen und melancholisch werden, wenn sie im Kinderkino bei H & M in Berlin sitzen. Ein typischer Van-Dannen-Song lebt von der Aufzählung verschiedener absurder und gewöhnlicher Dinge, die scheinbar nicht zusammenpassen, aber unter einem eingängigen Refrain zusammenfinden, dabei geht es meistens um Menschen, Tiere und Sport.

Zu lange Sätze zwingt der Sänger mit Gewalt in die Strophe, baut an anderer Stelle wieder Schlenker ein, um den Wörtern Platz zu geben; unerwartete Pausen, unorthodoxe Silbentrennungen und seltene Betonungen machen jedes Stück spannend. Vertonte Kalauer, aber auch ernste Liebes- und Verlustlieder finden sich auf der Platte. Kritisch wäre anzumerken, dass sich das etwa 17-strophige Lied „Wladimir Putins Kusine“ wohl eher zur Kurzgeschichte geeignet hätte und dass das schöne Wort „Schilddrüsenunterfunktion“ zehn Mal hintereinander gesungen seinen Reiz verliert. Dafür gibt es auf dieser Platte das bis dato einzig anhörbare Lied zum 11. 9.: „Also ich hatte schon vor dem 11. September oft so ein Scheißgefühl“, singt Funny van Dannen.

Seine sechste Platte ist für die, die ihn kennen und lieben, keine Überraschung mehr. Und doch gibt es darauf neue Töne. Eine melancholische Weltweisheit, wie in „Enttäuscht vom Leben“, ein ganz und gar nicht zynisches Lied, erschütternd lakonisch und auf heitere Weise todtraurig. „Ich will den Kapitalismus lieben, weil so viel für ihn spricht, aber ich schaff es nicht“, heißt es in einem weiteren Glanzstück der Platte. Großartig ist diese Platte auch, wenn sie dunkel und bizarr wird.

Funny van Dannens Konzerte waren stets ausverkauft, und er konnte sich immer auf seinen großen Fankreis verlassen. Trotzdem schien es, als habe in den letzten Jahren das Interesse an ihm ein klein wenig nachgelassen. Seine Platten waren gut wie immer, und doch hatte man die Lieder ein wenig aus den Augen verloren.

Das Gute an Leuten wie Funny van Dannen aber ist, dass sie einfach weitermachen, abseits von den professionellen Kollegen, der Welt von „Chartsentrys“ und „Labeldeals“, jedes Jahr ihre Platten aufnehmen und so immer wieder ein paar schöne Songs in die Welt entlassen. Vielleicht ist es an der Zeit, mal wieder öfter Funny van Dannen zu hören. CHRISTIANE RÖSINGER

Funny van Dannen: „Groooveman“(Trikont)

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