zwangsarbeiter: BESCHÄMENDES ERGEBNIS
Noch einmal haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gestern die Firmen in der Bundesrepublik aufgefordert, sich endlich am Zwangsarbeiter-Entschädigungsfonds zu beteiligen. Jetzt endlich müssen den schönen Worten Taten folgen. Kaum irgendwo ist dies so dringend wie in der Hauptstadt.
Fakt ist: Seit Monaten ist in der Stadt, in der so gut wie jede Fima während der NS-Zeit Zwangsarbeiter für sich schuften ließ, nicht viel geschehen. Gerade mal 60 Betriebe haben bisher ihren Betritt zum Fonds erklärt. Mancher mag dies schon als einen Erfolg betrachten – und angesichts der eklatanten Ignoranz, mit der das Thema noch vor zwei Monaten in der Stadt behandelt wurde, ist da sogar etwas dran.
Dazu beigetragen hat sicherlich auch der Druck, den Organisationen wie das American Jewish Committee (AJC) in der Öffentlichkeit aufgebaut haben. Beschämend allerdings ist, dass von knapp 80 Firmen, die nach einer Liste des AJC vom Januar Zwangsarbeiter beschäftigt hatten, noch nicht einmal 10 dem Fonds beigetreten sind. Die anderen ziehen sich nach wie vor auf juristische Spitzfindigkeiten zurück. Man sei kein direkter Rechtsnachfolger, so die beliebte Ausrede.
Darum geht es aber nicht. Jede Firma, die in irgendeiner Weise auf Zwangsarbeiterfirmen zurückgeht, muss sich ihrer Verantwortung stellen. Dabei ist unerheblich, ob nur der so genannte gute Name, der Standort, das Produkt oder die Maschinen übernommen worden sind.
Nicht nur das: Natürlich sind auch alle anderen Firmen der Stadt aufgefordert, wenigstens einen symbolischen Beitrag zu leisten – schließlich ist das Gefeilsche der deutschen Verhandler um Höhe und Adressaten der Entschädigungszahlungen schon unappetitlich genug. Dass in Berlin schon einige Firmen mit gutem Beispiel vorangegangen sind, sollte niemanden veranlassen, jetzt die Beine hochzulegen. Schließlich gibt es bei wichtigen Großfirmen der Stadt, den landeseigenen, immer noch Klärungsbedarf. So gut wie alle öffentlichen Betriebe haben Zwangsarbeiter zu diversen Drecksarbeiten herangezogen – das ist unter Historikern unumstritten. Umso beschämender ist, dass es nach einem monatelangen Hin und Her zwischen den Betrieben und dem Senat immer noch keine Lösung gibt.
Der Eindruck, der sich aufdrängt: Die Beteiligten schieben die Verantwortung so lange hin und her, bis das Thema ausgesessen ist. Die Zwangsarbeiter, die ihr Blut in dieser Stadt lassen mussten, haben das nicht verdient.
RICHARD ROTHER
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