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...zur Sonne, zur Arbeit

Arbeitsplätze und Forschungsaufträge dank der Sonne: Daran arbeitet das Dialogforum Solartechnik seit einem Jahr – nicht ohne Erfolg  ■ Von Ole Schulz

„Im letzten Jahr hat der Senat ständig von der Solar City Berlin geredet, doch bislang ist es bei Lippenbekenntnissen geblieben“, ärgert sich Helga Förster, Leiterin der Abteilung Technologietransfer an der Technischen Universität (TU) Berlin. Seit Dezember 1994 veranstaltet sie das Dialogforum Solartechnik – viermal trafen sich bisher Experten von Interessengruppen aus Wissenschaft und Industrie, um herkömmliche und neue Anwendungen der Sonnenenergie auszukundschaften.

„Unser Hauptziel ist es, in Berlin wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in der zukunftsträchtigen Solarbranche zu schaffen“, sagt Förster. Dies sei allerdings schwierig, solange die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nicht stimmten. So würden laut Förster beispielsweise zwei Solarfirmen – darunter der Schweizer Betrieb Newtec, der leicht montierbare Solardachziegel fertigt – ihre Produktion nach Berlin verlagern, wenn die sogenannte „Solaranlagen- Verordnung“ endlich verabschiedet würde. Bereits im September 1995 hatte das Abgeordnetenhaus beschlossen, daß in allen Berliner Neubauten 60 Prozent des Warmwasserbedarfs durch thermische Solaranlagen erzeugt werden müssen. Das bundesweit wegweisende und innovative Gesetz kann aber nicht in Kraft treten, weil die entsprechende Verordnung noch immer auf sich warten läßt. Der Grund: Senat, die Wohnungsbaugesellschaften und die Bauindustrie befürchten eine Verteuerung des Wohnungsbaus. Nach Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) würden sich die Baukosten jedoch nur um rund ein Prozent erhöhen. Vor allem aber könnte die Verordnung helfen, „die breite Markteinführung solarthermischer Systeme einzuleiten“, hofft Uwe Hartmann von der DGS. Die meisten Fachleute sind sich einig, daß der Teufelskreis „hohe Kosten – geringe Nachfrage – hohe Kosten“ nur durchbrochen werden kann, wenn der Sprung zur Massenproduktion von Solaranlagen gelingt.

Im Dialogforum Solartechnik werden auch regelmäßig die neuesten Ergebnisse der solartechnischen Forschung vorgestellt – an der TU beschäftigen sich allein 13 Fachgebiete mit der Sonnenenergie. Es werden nicht nur gebräuchliche Nutzungen wie die solare Warmwasser- und Stromerzeugung (Solarthermik und Photovoltaik) untersucht, sondern auch bis dato vernachlässigte Einsatzmöglichkeiten. Bei einem Projekt des Instituts für Lichttechnik steht zum Beispiel die passive Solarenergie im Mittelpunkt – mehrere Räume des Elektrotechnikgebäudes wurden auf Tageslichtbeleuchtung umgerüstet: Das Sonnenlicht wird vom Dach durch elektronisch gesteuerte Spiegel umgelenkt, mit Hilfe von Prismen gebündelt und durch Schächte in die innenliegenden Räume geleitet. Das Ergebnis: Das natürliche Licht ist angenehmer als eine künstliche Beleuchtung; der Energieaufwand konnte um mehr als die Hälfte reduziert werden. Würden alle Neubauten in Deutschland mit intelligenten Tageslichtsystemen ausgestattet, ließen sich bis zu einer Milliarde Mark Stromkosten einsparen, hat der Projektleiter Heinrich Kaase (TU) errechnet.

Ein Beispiel für schnellen Wissenstransfer des Dialogforums ist die Zusammenarbeit zwischen Günther Seliger (TU) und der Ufe-Solar Uckermark GmbH, einer kleinen Firma mit 14 Mitarbeitern, die in Manufakturbauweise Solaranlagen herstellt und sich innerhalb von drei Jahren zum Marktführer in der Region gemausert hat. Ufe-Solar beauftragte vergangenes Jahr eine Diplomandengruppe des Professors für Montagetechnik mit der Entwicklung eines neuen Herstellungskonzepts: Die Fertigungsschritte wurden vereinfacht und dadurch die Produktionskosten drastisch gesenkt.

Dennoch ist die Geschäftslage des jungen Unternehmens derzeit keinesfalls rosig, und das obwohl in Berlin die bundesweit höchsten Investitionszuschüsse für Solaranlagen gezahlt werden – rund 60 Prozent bei solarthermischen und bis zu 80 Prozent bei photovoltaischen Systemen. Der Umsatz von Ufe- Solar stagniert, da das Förderprogramm zur Zeit ruht. Denn angesichts der Berliner Haushaltsstopps ist noch unklar, aus welchen Töpfen die Zuschüsse weiterhin gezahlt werden können. Bei der zuständigen Investitionsbank Berlin (IBB) sollen deshalb rund 300 Anträge auf Eis liegen. Karl Remmers, Mitinhaber von Ufe-Solar plädiert gemeinsam mit seinem Partner, dem Firmengründer Reinhold Weiser dafür, die Förderungspraxis zu entbürokratisieren. „Lieber weniger, aber dafür kontinuierliche Zuschüsse“, fordert Remmers. Bis sich Solaranlagen betriebswirtschaftlich rentieren und Solarstrom erschwinglich ist, wird noch viel Zeit vergehen, glaubt Remmers. Volkswirtschaftlich dagegen sei Solarenergie jetzt schon sinnvoll, „weil sie eine Investition in eine umweltgerechte Zukunft ist, und die noch nicht abzuschätzenden Entsorgungslasten der Atomenergie langfristig ohnehin viel mehr kosten werden“.

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