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zoologie der sportlerartenPROF. HOLGER HIRSCH-WURZ zum Sportfunktionär

Griesgrame mit Sitzfleisch

Eine der größten sportlichen Landplagen ist der Homo mauschelensis, meist auf den ersten Blick an der aufgehaltenen Hand zu erkennen. Äußere Kennzeichen der auch als Sportfunktionär bekannten und übel beleumundeten Spezies sind ein grauer Anzug und ein überaus wichtiger Blick, sobald in der Nähe befindliche Fernsehkameras eingeschaltet werden. Sein Alter ist häufig beträchtlich, gern fällt der Delinquent durch ein sehr merkwürdiges Stimmverhalten auf.

Dem Alkohol ist er meist zugetan, am liebsten in Gesellschaft seiner Artgenossen. Materiellen Zuwendungen steht der Homo mauschelensis in der Regel sehr aufgeschlossen gegenüber und gegen ein paar nette Nebengeschäfte hat er selten etwas einzuwenden.

Schon in jüngeren Jahren zeichnet sich der Homo mauschelensis durch ausgeprägtes Sitzfleisch aus, das ihn befähigt, viel länger als die meisten anderen Menschen an Konferenzen teilzunehmen, Vollversammlungen beizuwohnen und auf Tribünenplätzen auszuharren. Wenn alle Übrigen erschöpft nach Hause gegangen sind, sitzt er immer noch dort, und weil er halt da ist, bekommt er ein Amt nach dem anderen übertragen.

Hat er genügend Ämter gehäuft, ist er ein bedeutender Sportfunktionär, Homo mauschelensis majoris, was sich darin äußert, dass er bei Sitzungen, Vollversammlungen und auf Tribünenplätzen nicht nur herumsitzt, sondern dort salbungsvolle Reden schwingt, die sich möglichst wenig von den Reden anderer bedeutender Sportfunktionäre unterscheiden dürfen und dies auch wirklich tun.

Oft war der Homo mauschelensis früher selbst einmal Sportler, aber daran erinnert er sich nicht mehr. Inzwischen hat er nämlich entdeckt, dass es viel angenehmer ist, andere für sich rennen, kicken oder springen zu lassen und sich in deren Erfolgen zu sonnen. Am liebsten überreicht er Pokale oder Medaillen, vor allem wenn das Fernsehen dabei ist und an die eigenen Leute.

Gewinnen die anderen, wird er sehr ungehalten, schimpft auf die nutzlose Jugend, die sich nicht genügend anstrengt, seinen Ruhm zu mehren, und droht damit, die Mittel zu kürzen. Gern verflucht er auch die Politiker, wenn diese damit drohen, die Mittel zu kürzen. Das nennt er dann die Hand schützend über seine Athleten halten und kommt sich ganz großartig vor.

Noch großartiger kommt er sich vor, wenn er in eine wichtige internationale Kommission berufen wird, wo er dann mit einem kleinen Heben seines Fingers ganze Metropolen oder Staaten in tiefe Täler des Jammers stürzen kann, weil sie irgendeine wichtige Veranstaltung nicht bekommen, für deren Erlangung sie ganze Kohorten des Homo mauschelensis ein paar Jahre lang durchgefüttert haben.

Die Gattung verfügt über einige typische Unterarten. Da wäre zum Beispiel der Homo mauschelensis poderosis, bei dessen Vertretern es sich um griesgrämige alte Männer mit kaltem Blick handelt, die darunter leiden, dass sie keiner mag, und sich zur Strafe immer wieder wählen lassen. Oder den Homo mauschelensis blatterinus, die etwas beleibtere, umtriebige Variante, die eine unsinnige Idee nach der anderen ausbrütet, mindestens die Hälfte davon durchsetzt, aber sich im Endeffekt zu viele Blößen gibt, um lange mithalten zu können.

Eine ganz spezielle Variante stellt der Homo mauschelensis schwabicus dar, der entweder Fechten lernt und durch jeden erreichbaren Fettnapf kugelt oder als unermüdlicher Ämterhäufer dem Wort Peinlichkeit solange neue Dimensionen erschließt, bis man ihn zum DFB-Präsidenten wählt.

Über allem aber thront eine entrückte Mutation der Gattung, die ebenso ungreifbar wie unantastbar durch jedes Raster schlüpft und sich der Kategorisierung beharrlich entzieht. Ein Zwitterwesen, das jedes gute Geschäft mitnimmt und gleichzeitig nicht darauf angewiesen zu sein scheint, das früher oder später jeden Posten akzeptiert, ohne ihn wirklich zu bekleiden, das heute dies sagt und morgen das Gegenteil, ohne dass es irgendeine Bedeutung hätte. Eine Art Schimäre, für welche die Wissenschaft eigentlich eine eigene Kategorie erfinden müsste, den Homo mauschelensis fiat lux beispielsweise oder, kurz und bündig: Homo franz.

Wissenschaftliche Mitarbeit:MATTI LIESKE

Fotohinweis:Hirsch-Wurz, 49, ist ordentlicher Professor für Human-Zoologie am Institut für Bewegungs-Exzentrik in Göttingen.

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