zehn jahre stasiakten: Öffentliche Ossis, private Wessis
Der Streit um den Zugang zu den Stasiakten wird weitergehen, juristisch und politisch. Im Sommer hatte ein Berliner Verwaltungsgericht der Klage von Exbundeskanzler Kohl Recht gegeben: Die Herausgabe der ihn betreffenden Stasiunterlagen zu Forschungs- und Publikationszwecken wurde untersagt. Nun wird das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheiden müssen, wie das Stasi-Unterlagen-Gesetz korrekt ausgelegt werden soll, das vor genau zehn Jahren in Kraft getreten ist.
Kommentarvon WOLFGANG GAST
Konkret lautet die Frage: Welche Interessen geben den Ausschlag? Die Persönlichkeitsrechte ausgeforschter Bürger – das würde bedeuten, dass das vom Geheimdienst illegal erworbene Wissen um intimste Vorgänge im Leben der Überwachten nicht in die Öffentlichkeit gelangen darf. Oder das öffentliche Interesse, das bei so genannten Personen der Zeitgeschichte wissen will, ob nicht der ein oder andere Politiker nach Sachlage der Stasiakten in den ein oder anderen Skandal verwickelt war. Etwa bei Franz Josef Strauß, der jahrelang klandestine Kontakte zu einem hohen Stasi-Offizier pflegte.
Dieser Konflikt bestimmt die Debatte über das Stasi-Unterlagen-Gesetz seit zehn Jahren. Nur hatte die Lobby derer, die die Akten zur historischen und publizistischen Aufarbeitung heranziehen wollten, 1991 noch mehr Einfluss. Fraktionsübergreifend – mit Ausnahme von Bündnis 90/Die Grünen – haben die Vertreter der verschiedenen Bundestagsfraktion bereits im Gesetzgebungsverfahren versucht, Unterlagen mit personenbezogenen Angaben im Giftschrank verschwinden zu lassen. Dass es dazu nicht kam, war den Protesten der Bürgerbewegung und vor allem dem Druck der Medienverbände geschuldet, die diesen Zensurversuch anprangerten.
Demnächst muss nun nicht nur höchstrichterlich über das Stasi-Unterlagen-Gesetz befunden werden. Im März will sich auch eine parteiübergreifende Bundestagskommission mit einer Novellierung des Gesetzes befassen. Unangenehm stößt dabei auf: In den vergangenen Jahren wurde die Auskunftspraxis zu Stasiakten weder gerügt noch dienstaufsichtlich beanstandet. Eine Gesetzesnovelle erweckt jedoch den Eindruck, es gehe um die letzte Abwehrschlacht des Westens. Eine Gruppe altbundesrepublikanischer Prominenter wehrt sich dagegen, dass auf sie die gleichen Maßstäbe angewendet werden, die bisher schon im Osten galten. Egal wie der Streit ausgeht – der Makel der ungleichen Behandlung bleibt.
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