zahl der woche: Estland macht Wodka teurer und ernüchtert die Finnen
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Auch woanders wird der Sprit teuer. Estlands Ministerpräsident Juhan Parts kündigte jetzt an, dass die Alkoholsteuer schrittweise erhöht werden soll. Zunächst vermutlich um 20 Prozent. Das sorgte auch für Freude im finnischen Helsinki. Ministerpräsident Matti Vanhanen stellte ebenfalls eine entsprechende Steuererhöhung in Aussicht.
Dabei hatte er den Zuschlag auf Alkohol erst kürzlich um 44 Prozent gesenkt. Ein verzweifelter Versuch, sich gegen den Dumping-Wodka zu wehren, den die Finnen in großen Mengen mit der Fähre ins Land holen. Denn seit dem EU-Beitritt und dem Fall aller Einfuhrbeschränkungen ist Estland zum Alkoholsupermarkt Finnlands geworden.
Die Resultate sieht man bei sonnigem Wetter in den Parks der finnischen Hauptstadt. „Es sieht aus wie auf einem Schlachtfeld, überall liegen Betrunkene herum“, erzählt ein Polizist. Die Ausnüchterungszellen sind voll. Die Zahl derer, die sich bis zum Koma volllaufen lassen und ins Krankenhaus müssen, hat sich seit der Senkung der Alkoholsteuer um 40 Prozent erhöht, die Zahl suffbedingter Gewalttaten um 20 Prozent. Forscher rechnen mit bis zu 1.200 zusätzlichen alkoholbedingten Toten pro Jahr, sollten die Steuern nicht wieder erhöht werden
Jetzt arbeiten die nordischen und baltischen EU-Länder zusammen mit den Niederlanden an einer Erhöhung der Mindestsätze für die Alkoholsteuer in der EU. Diese liegen seit 1993 trotz mittlerweile gestiegenem allgemeinen Preisniveaus unverändert bei knapp 2 Euro pro Liter Hochprozentigem.
Auch die EU-Kommission erklärte, dass die großen Unterschiede bei den Alkoholsteuersätzen – in Schweden ist die Steuer zehnmal so hoch wie im jetzt billigsten EU-Land Zypern – „Störungen“ für den gemeinsamen Markt beinhalteten. Nun sollen Regierungen und Europäisches Parlament die Frage diskutieren. Bislang waren die Versuche zur Vereinheitlichung vor allem den südeuropäischen Länder gescheitert.
REINHARD WOLFF
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