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zahl der wocheTrotz Verbot nicht tot

Werbebranche boomt und klagt

Sie ist überall: Im Radio, in der Morgenzeitung, auf dem Bus, als Plakat an der Straße, auf allen Fernsehkanälen, als Logo auf der Jacke und unter dem Schuh. Werbung ist immer schon da, sie prägt Moden, Sprachgebrauch und Denkweisen. Und vor allem ist sie eine Wachstumsbranche. 61,5 Milliarden Mark gaben die deutschen Betriebe 1999 für Werbung aus, das ist ein Zuwachs von 4,2 Prozent. Nicht schlecht für eine Branche, die sich oft von aller Welt verfolgt fühlt. Bekanntlich mosert die Werbelobby seit Jahren über das Verbot von Tabakwerbung in Funk und Fernsehen und läuft Sturm gegen die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, die Alkoholwerbung weiter einzuschränken. So rief der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) diese Woche auch dazu auf, die Politik solle im neuen Jahrhundert endlich vom „Leitbild des unerfahrenen, tumben Verbrauchers“ abrücken, der durch die Werbung manipuliert werde. „Der Mensch ist kein Staubsauger, der alles aufnimmt“, erklärte ZAW-Präsident Manfred Lange. Das Internet bringe extreme Markttransparenz, die zu einer Art „Kundenkartell“ führen werde.

Nicht nur das Internet bereitet der Branche Kopfzerbrechen. Während der Trend in der Wirtschaft allgemein auf Liberalisierung ziele, setze die Politik auf „Maulkörbe und Handschellen“, so ZAW-Geschäftsführer Volker Nickel. Der Trend gehe hin zu immer mehr Verboten. Die goldenen Zeiten von zweistelligen Zuwachsraten sind für die Werber vorbei, meint Nickel. „Zwischen zwei und sechs Prozent“ werde sich der Zuwachs in den nächsten Jahren bewegen.

Diese Probleme hätten andere Branchen gern. In den Boom-Sektoren aber sitzt das Geld noch locker: 3,2 Milliarden Mark gaben 1999 die Autohersteller aus, um ihre Kunden bei der Lenkstange zu halten. Die Medien warben für sich mit 2,7 Milliarden Mark und die Telekommunikationsbranche investierte 2,3 Milliarden Mark in Reklame. Vor allem vom Wettbewerb unter den Stromgiganten profitierten die Werbefuzzis: Die Ausgaben der Stromkonzerne für Anzeigen und Spots stiegen um 200 Prozent auf 400 Millionen Mark.

Weniger geworben wurde bei Banken, Versicherungen und Sparkassen, Wasch- und Pflegemitteln sowie bei Schnaps undWein. Nach einem Jahrzehnt hoher Werbeausgaben bei sinkendem Konsum kann sich die Alkoholindustrie die Reklame nicht mehr leisten. Doch auch in der Rezession können die Werber auf Aufträge hoffen: Denn ein Weg aus den roten Zahlen ist für viele Unternehmen verstärkte Werbung.

Gewinner des Werbebooms sind die Medien. Zeitungen, Fernsehen und Rundfunk nahmen im letzten Jahr 42,6 Milliarden Mark ein und erhöhten in den Neunzigerjahren ihre Einkünfte aus der Werbung um fast drei Viertel. Das Fernsehen liegt mit 8,4 Milliarden an zweiter Stelle, vorne liegen die Tageszeitungen mit dem dicksten Brocken: 11,8 Milliarden Mark Einnahmen aus Anzeigen. Und jetzt ein Service für taz-LeserInnen: Ihre kleine, feine Zeitung war an diesem Riesenkuchen mit stolzen 6,2 Millionen Mark beteiligt.

BERNHARD PÖTTER

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