zahl der woche: Produktion bei BMW in Leipzig fast rund um die Uhr
Im Osten neue Maßstäbe
Leipzig wird erlöst! In einer Region mit offiziell 19 Prozent Arbeitslosigkeit kommt der Messias aus München. Der Autokonzern BMW macht vieles möglich. Auch das bahnbrechende Modell einer „atmenden Fabrik“ mit bis zu 140 Wochenstunden Betriebszeit.
Je nach Auftragslage sollen die Maschinenlaufzeiten zwischen 60 und 140 Stunden in der Woche schwanken. Eine Sechstagewoche ohne Zuschläge also in Spitzenzeiten – der Sonntag soll stets frei bleiben. BMW betont, dass der für Sachsen geltende Flächentarif mit 38 Wochenstunden dennoch eingehalten werde. Mehrarbeit würde über Arbeitszeitkonten mit einer Bandbreite von 200 Stunden abgeglichen. Bezahlte Überstunden werde es nicht geben.
Der Gesamtbetriebsrat bestätigt, dass hier Einigkeit bestehe. Man sei angesichts der Konkurrenz in der Autobranche stolz auf das erzielte Eckewertepapier, das allerdings noch keine Betriebsvereinbarung darstelle. Flexible Arbeitszeitmodelle gibt es zwar in der gesamten BMW-Group. Im Werk Regensburg waren bislang allerdings nur 99 Stunden Laufzeit möglich. Ob hier mit höherer Ost-Flexibilität nicht Druck auch auf andere Konzernstandorte ausgeübt werde, wollen sowohl der Betriebsrat als auch BMW-Sprecherin Christine Krepold nicht kommentieren.
Beim eigentlich zuständigen Tarifpartner, der IG Metall Brandenburg/Sachsen, zeigt man sich verwundert über die angebliche Zustimmung der Gewerkschaft. Tatsächlich hat es hier keinerlei Verhandlungen gegeben, eine Zustimmung der IG-Metall-Spitze aus Frankfurt ist in Berlin nicht bekannt.
Wann die großzügigen staatlichen Subventionen in Höhe von bis zu 700 Millionen Mark als Steuereinnahmen für Leipzig und die Region zurückfließen, steht in den Sternen. Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat eine vage Prognose aufgestellt, nach der bis zu 40 Millionen Mark jährlich für die auch als Zulieferer beteiligten Kommunen erwartet werden. Natürlich erst, wenn BMW bei den Verlustvorträgen nichts mehr einfällt.
MICHAEL BARTSCH
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