zahl der woche: Doppelt so viele Drogenabhängige wie im dekadenten Westen
Zentralasien leidet am billigen Heroin
Schlechtbezahlte und korrupte Sicherheitskräfte, billige Drogen – vor allem Heroin, das überall reichlich zu haben ist – und Regierungen, die lange untätig blieben, sind nur einige der Gründe, warum sich die vormaligen zentralasiatischen Sowjet-Republiken inzwischen mit einem Drogenproblem von erschreckendem Ausmaß konfrontiert sehen. In einigen dieser Länder ist die Zahl der Abhängigen in Relation zur Bevölkerungsgröße heute deutlich höher als in vielen Industrieländern. Und ihre Zahl wächst rasant. Das ist das Ergebnis der jüngsten Studie der UNO-Organisation für Drogenkontrolle und Verbrechensvorbeugung (UNODCCP), die sie in dieser Woche auf einer 3-tägigen Konferenz in der usbekischen Hauptstadt Taschkent vorgestellt hat.
Danach nahmen in den am schlimmsten betroffenen Ländern Kasachstan und Kirgistan über 1.000 von 100.000 Einwohnern regelmäßig Drogen – die absolute Mehrzahl von ihnen Opium und Heroin. Die Rate in Großbritannien oder Italien liegt dagegen „nur“ zwischen 500 und 600. Gleichzeitig sinkt das Alter derjenigen, die zum ersten Mal mit Drogen in Kontakt kommen, rapide. Weil das Bewusstsein über die Verbreitung von Aids sehr gering ist, hat sich ein großer Anteil der Heroinabhängigen schon mit dem Virus infiziert.
Die Regierungen der zentralasiatischen Länder haben Drogen lange Zeit für ein Problem des dekadenten Westens gehalten. Und wie wenig sie der Herausforderung gewachsen sind, sah man auf der Konferenz. Eine Länderdelegation nach der anderen nahm das Mikrofon in die Hand und zeigte sich schockiert, dass auch Frauen zu den Abhängigen gehören. In den Medien wird das Thema weitgehend tabuisiert, es gibt kaum Spezialkliniken für Abhängige, und wenn dann behandeln sie wie in Tadschikistan ihre Patienten noch mit altertümlichen Methoden wie Elektroschocks.
Natürlich ist vor allem das billige Heroin aus Afghanistan an der dramatischen Situation schuld. In Tadschikistan hat sich der Preis für ein Gramm Heroin, offenbar wegen des Krieges in Afghanistan, zwar verdoppelt. Aber es kostet dort immer noch umgerechnet 3 Euro – ungefähr ein Fünftel des Preises, den die Polizi für westeuropäische Länder schätzt. PETER BÖHM
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