zahl der woche: Der Schadenersatz-Prozess der Apartheidopfer beginnt
Auch deutsche Banken und Konzerne sollen zahlen
Er bringt es in europäischen Unternehmenskreisen mit Leichtigkeit zum Titel „meistgehasster Anwalt aller Zeiten“. Aber er hat Erfolg. Und ständig neue Ideen, wie er sein Vermögen und das seiner Klienten mehrt: Ed Fagan, dem US-Juristen, der die Schweizer Banken genauso wie die deutsche Industrie wegen ihrer Nazivergangenheit jeweils zu einem Vergleich gezwungen hat. Die Schweizer überwiesen nach einer Klage gut eine Milliarde Dollar, weil sie mit jüdischen Konten aus der Nazizeit zweifelhaft umgegangen waren. Und die deutsche Regierung samt der Industrie zahlten je fünf Milliarden Mark in einen Fonds, aus dem die im Zweiten Weltkrieg zwangsverpflichteten Arbeiter aus dem Ausland entschädigt werden.
Diesmal greift Fagan nicht die Nazizeit, sondern ein jüngeres Kapitel der Geschichte auf – den südafrikanischen Apartheidstaat. Fagan vertritt eine wachsende Zahl farbiger Opfer, die entweder selbst von den Truppen des weißen Regimes verletzt wurden oder Angehörige verloren. Und Fagan hat diesmal eine viel höhere Summe im Sinn: mindestens 50 Milliarden Dollar werden die US-Gerichte den Opfern zugestehen, so seine Schätzung. Er reicht ständig neue Klagen in verschiedenen Bundesstaaten ein. So will er erreichen, dass die Justiz die Verfahren bei einem Bundesrichter zu einer Sammelklage bündelt. Dort kann dann mit großem Aufwand ermittelt werden und es gibt ständig pressegerechte Termine.
Gestern war der erste Tag, in dem Fagan seine Ansprüche einem New Yorker Gericht vortrug. Die Beschuldigten sind nicht etwa Vertreter der damaligen südafrikanischen Regierung, sondern diejenigen, die seiner Meinung nach das Regime finanziell über Wasser gehalten haben: Banken aus Europa und den USA sowie internationale Konzerne, die mit Investitionen erst das Funktionieren der Apartheid-Wirtschaft garantierten. Die Firmen hätten auch zwischen 1985 und 1993 mit der Regierung zusammengearbeitet, so der Hauptvorwurf, obwohl in dieser Zeit ein Embargo der UNO in Kraft war. Ausländer können in den USA Schadenersatz fordern, wenn die beklagte Firma in den USA eine Niederlassung hat.
Die beschuldigten Firmen weisen die Anschuldigungen zurück. Es sind neben den Schweizer Geldriesen und der amerikanischen Citibank auch Deutsche, Dresdner und Commerzbank sowie der Konzern IBM. Geprüft werden auch Klagen gegen DaimlerChrysler und diverse Öl-, Waffen- und Pharmakonzerne. Fagan arbeitet mit südafrikanischen Bürgerrechtlern und Anwälten zusammen. Theo Kneifel von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (www.woek.de/kasa.htm) glaubt deshalb an den Erfolg.
MARIA KLEINSCHROTH
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