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zahl der wocheDer gekündigte Frieden

Schweizer Bauarbeiter im Streik

Erst die Pleite des Traditionsunternehmens Swissair, dann rote Zahlen bei der größten Bank Credit Suissse. Und nun der größte Streik seit 55 Jahren: In der Schweiz gingen diese Woche 15.000 Bauarbeiter auf die Straße. Kaum eine bedeutende Stadt blieb davon verschont.

Mit „rot weißen Fahnen, roten Dächlikappen und schrillen Trillerpfeifen“ schrieb der Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, seien sie zum Beispiel durch Lausanne gezogen. In der beschaulichen Stadt habe etwas von einer „südlich-heißen Atmosphäre“ geherrscht.

Was die Arbeiter erzürnt: Im Frühling einigten sich Gewerkschaften und der Baumeisterverband der Arbeitgeber auf die Frühpensionierung ab sechzig Jahren. Doch im September machten die Arbeitgeber einen Rückzieher. Der Vertrag war ihnen plötzlich zu teuer.

Was folgte, war der offene Schlagabtausch. Der Präsident der Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI), Vasco Pedrina, sprach von der „totalen Verwilderung der Branche“. Die Arbeitgeber kanzelten die angedrohten Streiks als „sinnlos, kontraproduktiv und illegal“ ab.

Der Arbeitskampf fällt in eine Zeit mit 3 Prozent Arbeitslosen. Für Schweizer Verhältnisse ist das viel. Außerdem lahmt die Konjunktur. Nur 0,5 Prozent Wachstum werden in diesem Jahr erwartet. Das angeknackste Selbstvertrauen erklärt den rauen Tonfall.

Bislang war das Verhältnis zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern bestens. Seit 1937, als der erste Gesamtarbeitsvertrag zwischen den Uhrmachern und ihren Arbeitgebern ausgehandelt wurde, sichert ein dichtes Geflecht von Verträgen den Frieden der Schweizer Arbeitswelt. Die Unternehmer zahlen gute Schweizer Löhne und die Gewerkschaften drohen nicht bei jedem Konflikt mit Streik. Nur die Streikwelle von 1947 war eine Ausnahme. Auch damals setzten aufmüpfige Bauarbeiter bessere Arbeitsbedingungen auf der Straße durch.

MARIUS ZIPPE

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