piwik no script img

wortwechselIronie mit Schluckauf: #allesdichtmachen.de

Ironisch gemeinte Videostatements von 53 Schau­spie­le­r:in­nen im ewigen Kunst-Lockdown protestieren gegen die Coronamaßnahmen der Bundesregierung – und sorgen für Wirbel

Schauspieler Richy Müller: Er überlässt nichts mehr dem Zufall. Er atmet in eine Tüte … ein … und in eine andere … aus. Achtung! Jede Tüte hat ihre eigene Farbe! Foto: #allesdichtmachen/dpa

„Aktion #allesdichtmachen im Netz: Nicht ganz dicht“, taz vom 24./25. 4. 21

Immer in die rechte Ecke

Wir haben alle Videos der SchauspielerInnen gesehen und empfinden diese Kritik als unsachlich und bösartig. Wie kann man einem Mann wie Jan Josef Liefers unterstellen, er wähle eine bei Rechtspopulisten, die selbst selten „unten“ in der Gesellschaft stehen, beliebte Strategie, Ressentiments gegen „die Eliten zu schüren und zugleich so zu tun, als gehöre man nicht dazu“? Keines der 50 Videos ist persönlich beleidigend, verletzend oder hetzerisch. Diese taz-Kritik reiht sich ein in die vielen Versuche, alle, die nicht an den Lockdown glauben und Kritik äußern, in die rechte Ecke zu stellen. Auch dieses „in die Ecke stellen“ greifen die Künstler hellsichtig auf: Wenn man das Publikum, um den Beifall von rechts zu vermeiden, nur links sitzen lässt, kommt der Beifall von links, aber wenn man auf der Bühne steht, kommt er leider wieder von rechts. Das lässt sich nur lösen, wenn es kein Publikum gibt. Also die Theater schließen für immer. Wir hoffen sehr, dass die taz sich dieses Themas noch einmal annimmt und sich auch diejenigen genauer ansieht, die jetzt „ganz demokratisch“ fordern, den „Tatort“-Stars ihre Rollen zu entziehen. Monika Herrmann-Schiel, Klaus Schiel, Waldshut-Tiengen

Diskurs entwendet

Namhafte Künstler machen einen unkonventionellen Vorstoß, die Schockstarre der fruchtlosen Auseinandersetzung zu lösen. Da steigt die „klammheimliche Freude“ wieder auf, denn die Gesinnungsprüfer melden sich sogleich. Gegönnt sei den Künstlern demzutrotz erst recht, jetzt noch kraftvoll „eins draufzulegen“. Sie haben den Flachdenkern deren eigene Ideen gezeigt. Und diesen den „Diskurs“ entwendet. Solch ein Erfolg! Weiter so. Georg Hausmann, Köln

So viel Narzissmus

Was mich viel mehr erschreckt, ist, dass JournalistInnen bei sogenannten Meinungsdemos verprügelt und angegangen werden, dass sie Wohnungen wechseln müssen und nicht geschützt werden. Liebe Schauspieler, das habt ihr alle nicht mitbekommen, was? Das ist euch egal, oder? Das tangiert euch ja nicht in eurem Narzissmus? Das wäre mal eine Aktion wert gewesen. Oder ihr hättet eure Prominenz genutzt, um die Maßnahmen zu unterstützen, wir wären vielleicht schon durch und ihr könntet wieder drehen. Aber nicht mehr für mich. Ich finde euren ganzen Rosamunde-Pilcher-Tatort-Mist einfach zu fad. Leonore Weissenburger, Fachbach

Ausweg aus Dilemma

Was ist schwerer zu ertragen – die Gegenmeinung von Ärzten, Patienten, Angehörigen, von Kollegen, von Menschen also, die tatsächlich um ihre Existenz bangen und die Zynismus sehen in diesen Videos, keine Ironie und keine Kunstform? Oder die Claqueure aus der rechten oder verschworenen Ecke, denen das vorkommen muss wie ein Dutzend Gratis-Aluhüte? Meinungsfreiheit ist ein kostbares Gut. Man sollte entsprechend mit ihr umgehen. Vielleicht habt ihr es euch zu leicht gemacht. Wir wünschen euch, ganz ohne Zynismus und Ironie, einen guten Ausweg aus diesem Dilemma – und uns allen eine konstruktive Diskussionskultur. Susanne und Matthias Strittmatter, Elversberg

Das ist verwerflich

Initiieren, dann dementieren und leugnen, das ist eine häufig angewandte Praxis der AfD und deren Freunden. Und: Eine derartige Aktion kann nur von Menschen durchgeführt werden, die sich in diesen Zeiten für zu wichtig nehmen. Schlicht unglaublich und verwerflich!

Anton Krapf, Bietigheim

Was für ein Gequassel

Was hätte eine Regierung denn machen sollen in Sachen der Pandemie? Gar nichts und alles laufen lassen? Die Kritik der Künst­le­r:in­nen geht völlig an der Sache vorbei. Anstatt dringend notwendige und anderswo längst erprobte Bekämpfungsoptionen anzugreifen, wäre ein Blick auf die Verteilung der Lasten interessant. Wie kommt es, dass Konzerne dreistellige Summen für Kurzarbeit verbuchen und gleichzeitig erhöhte Dividenden zahlen? Von Bundes- über Landesministerien bis herunter zu Landräten und Bürgermeistern meint je­de:r, die eigene Meinung formulieren zu müssen. Das selbstverliebte Gequassel dient in erster Linie der Optimierung von Umfragewerten und der eigenen Wiederwahlchance. Das sind Tatsachen, an denen Kritik und Satire dringend nötig ist. Klein­künst­le­r:in­nen sind hoch gefährdet, denen gehört geholfen und wenn Promi-Stars dazu beitragen wollen, dann bitte durchdacht und klug, nicht rechtstrendig. Fritz Lothar Winkelhoch, Gummersbach

Nichts verstanden

Ich kann diese Aufregung und Hysterie um die Videos der Schauspieler überhaupt nicht verstehen. Das Ganze war mit einem Augenzwinkern und teilweise satirisch gemacht und sollte ein wenig aufrütteln. Wenn dann die AfD darauf einsteigt und die Videos beklatscht, dann hat sie, wie so oft, die Botschaft dahinter gar nicht verstanden. Thomas Henschke, Berlin

Wollt ihr Spachlosigkeit?

„Debatte: Moralische Tabuzone“,

taz vom 26. 4. 21

Dieser Beitrag von Ahmad Mansour zeigt einen unglaublich wichtigen Aspekt in der ganzen Coronadiskussion: Jegliche Kritik (wie gerade wieder bei #allesdichtmachen) zu delegitimieren, weil Zustimmung von der falschen Seite kommt, ist, wie Mansour richtig feststellt, kein Argument, sondern ein Armutszeugnis. Die daraus erfolgende Sprachlosigkeit ist der Tod jeder demokratischen und zivilgesellschaftlichen Diskussion. Nur noch „eine richtige Meinung“ haben zu dürfen ist das Ergebnis.

Auch die taz fördert das seit Anbeginn der Pandemie. Das finde ich schade.

Christa Herkströter, Meerbusch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen