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wortwechsel„Die Gouvernantisierung der Gesellschaft“

Maskenpflicht: „Und das Volk näht“. Diese Kolumne von Bettina Gaus wurde viel kommentiert. Macht uns die Maskerade im Alltag zu braven oder einfach zu rücksichtsvollen BürgerInnen?

„Und das Volk näht“,

taz vom 25./26. 4. 20

Gehorsam gefordert?

Liebe Bettina Gaus, deine Kolumne über die erzwungene „Maske-rade“ hat mir gut getan. Ich sehe das genau so, auch dass man mit seiner Skepsis, wenn man sie äußert, meist auf ängstliches Schweigen oder Ablehnung trifft.

Die Grenze zum angsterfüllten, bedingungslosen Gehorsam der Obrigkeit gegenüber ist oft schon erreicht. Wer hätte das gedacht, wie schnell das geht.

Hans-Joachim Groh-Wahlers, Etelsen

Maske mit Parole

Danke, Bettina Gaus, für Ihre Kolumne in der taz am Wochenende.

Sachlich differenzierte Kritik findet sich auch beim geschätzten Schweizer HIV-Experten Professor Vernazza:

www.infekt.ch/2020/04/atemschutzmasken-fuer-alle-medienhype-oder-unverzichtbar/

Ich habe den Eindruck, es geht darum, mit den Masken als permanentem Symbol die Angst aufrechtzuerhalten, denn eine verängstigte Bevölkerung findet autoritäre Macher wie Markus Söder offensichtlich gut und lässt sich Freiheitsrechte einfacher nehmen.

Zum Schluss eine Anregung, wie wir Skeptiker mit dem Dilemma umgehen könnten:

Maske mit der Parole „Maskenpflicht abschaffen!“ beschriften – und tragen.

Manfred Schmidt, Nürnberg

Zeitung auf den Kopf

Mich erinnert die Maskenpflicht an die Vorgabe der Bundesregierung im Kalten Krieg: „Gegen den atomaren Fallout hilft, sich eine Zeitung oder eine Aktentasche über den Kopf zu halten.“ Genauso viel oder wenig hilft ein Stück Stoff vor dem Gesicht. Heinz Kienzle, Weinstadt

Kätzchen, Herzchen?

Liebe Frau Gaus, ich nähe ganz gerne Buntes und so kann ich die Nachbarn und meine Kolleginnen beglücken. Und wenn ich schon so ein Ding tragen muss, dann wenigstens bunt. Ich hoffe, Sie tragen auch etwas Buntes oder was immer Ihnen gefällt. Ansonsten nähe ich Ihnen auch gerne ein Mäskchen (sogar mit Biegedraht!). Ich hätte da gediegene Schafe (grau-weiß auf gelbem Grund), Kätzchen, Herzchen oder das dezente Streifenmotiv, ganz in weiß (gähn) oder wenigstens weiß mit gelben Punkten? Bleiben Sie zuversichtlich in diesen erstaunlichen Zeiten! Anke Hofmann, Sasbach

Willkommen in der DDR

Liebe Frau Gaus, ich habe die ersten 25 Jahre meines Lebens in der DDR zugebracht und wusste schon von mir, dass ich Dinge tue, von denen ich nicht überzeugt bin, damit ich meine Ruhe habe. Auf der einen Seite gönne ich Ihnen als Wessi diese Erfahrung, auf der anderen Seite dachte ich, dass ich für immer damit durch bin, und stehe ein bisschen fassungslos davor, wie so ein Überbietungswettbewerb im Ich-bin-­ein-guter-Staatsbürger da ist und Endlich-kann-ich-Nachbarn-anzeigen entsteht. Vielleicht recherchieren Sie mal in der taz, wie stark die Anrufe und Anzeigen in Ordnungsämtern und Polizeistationen angestiegen sind und warum ein Mensch einen anderen denunziert. Ich werde jetzt so oft an die DDR erinnert: Schlangen, manches gibt es nicht zu kaufen, der Staat bestimmt, ob ich nach Meck-Pomm fahren darf. Letztes Wochenende wollte ein Freund mit dem Auto von Lüneburg nach Berlin fahren. Die Polizei hat ihn auf der Autobahn rausgefischt und zurückgeschickt. Dann ist er halt mit der Bahn gefahren. Das ging. Liebe taz, es gibt viel zu untersuchen, einzuordnen: diese Rhetorik! Bist du für Lockerung, dann bist du dafür, dass Menschen an Corona sterben. So ein Quatsch. Wieder wie in der DDR – wenn du für den Weltfrieden bist, dann musst du auch für die SED sein. Ansonsten bist du Imperialist. Kerstin Meißner, Hamburg

Brot und Masken

Mangels „Brot und Spiele“ (okay, Brot gibt es noch) muss man das Volk eben anders beschäftigen, um den Sturm auf die Bastille zu unterbinden. Also müssen Masken her, am besten selbst genäht, wenn möglich in fluoreszierenden Neonfarben, für nachts. Fern Mehring, Dortmund

Die Gouvernantisierung

Es war schon amüsant zu beobachten, wie alle Masken-Skeptiker in der vergangenen Woche wie die Dominosteine umkippten. Nach Expertenmeinung hilft ja nur eine medizinische Maske. Mich beunruhigen tatsächlich die möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise, sprich die Gouvernantisierung der Gesellschaft. Ich würde mich sehr freuen, wenn die taz sich verstärkt diesen möglichen Kollateralschäden der Krise zuwenden könnte. Anne Rennemeier, Hamburg

Lieber Handy-Maulkorb

„Vermummung ist jetzt Pflicht“,

taz vom 25./26. 4. 20

Zwei wichtige Effekte könnten die positive Wirkung konterkarieren. Einerseits führt das Tragen von Masken dazu, dass wir uns öfter ins Gesicht fassen, beim Auf- und Absetzen, verstärkt bei einem nicht ideal sitzenden selbst gehäkelten Mund- und Nasenschutz aus Materialien, die möglicherweise kratzen. Entscheidender könnte aber ein psychologischer Aspekt sein. Für viele Menschen wird das Tragen einer Maske das persönliche Sicherheitsgefühl verändern. Damit einher gehen unbewusste Verhaltensänderungen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass einige Maskenträger*innen die Abstandsgebote nicht mehr einhalten. Es spricht dennoch nichts gegen das Tragen von Masken, wenn die bisher wirksamen Abstands- und Hygieneregeln weiterhin beachtet werden. Unter Umständen hätte ein Maulkorb, sprich ein Handyverbot im ÖPNV und ein Schweigegebot in Supermärkten, eine ähnliche Wirkung: jedes gesprochene Wort erhöht die Anzahl der in die Umgebung ausgebrachten Aerosole und trägt mithin zur Verbreitung des Virus bei. Sähe eigentlich auch besser aus.

Jens Grund, Bremen

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