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wortwechselEin Virus kennt keine Nationalität

Ein winziges Virus zwingt ein riesiges Land zum Stillstand. Kein Grund zur Panik? „Die Angst vor dem Coronavirus ist rassistisch“, schrieb Lin Hierse in der taz. LeserInnen kommentieren

Marseille,2. 2. 20: Mitglieder des polnischen Militärs an Bord eines Militärflugzeugs, das für den Transport von Personen aus Wuhan (China) eingesetzt wurde Foto: Arek Rataj/dpa

„Die Angst vor dem Coronavirus ist

rassistisch“, taz vom 1./2. 2. 20

Massenhysterie?

Danke! Dass vernünftig sein (also das eigene Denken zu reflektieren) beim Thema „Corona‘‘ in der Medienlandschaft nur noch unter der Rubrik „steile These“ in der taz zu finden ist, illustriert das Ausmaß des Problems. Der Artikel hilft, den Verstand nicht zu verlieren, wenn man Sorge hat, am Ende selbst noch Teil einer Massenhysterie zu werden. Man fühlt sich durch den Artikel nicht allein, egal welcher „Rasse“ man angehört (der menschlichen?). Christine Köhler, Melle

Verleumdungen

Jepp, die Reaktionen können ins Rassistische abrutschen, sogar heftigst. Im Mittelalter hat man die Juden als sogenannte Brunnenvergifter für die Pest verantwortlich gemacht und verfolgt.

Rudolf Fissner auf taz.de

Antikommunismus-Virus

Bestimmt sind viele Millionen Menschen in Sorge um die Menschen in China. In unseren Medien hört sich die Sorge überwiegend ganz anders als ehrlich und mitfühlend an – vor allem politische Spekulationen zu vernehmen, das macht fassungslos. Die Chinesen können ein noch so viel besseres Gesundheitssystem unter Beweis stellen, noch so viele Krankenhäuser in kürzester Zeit errichten, es wird immer das politische Virus bedient, das einfach Antikommunismus bedeutet. Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik durch eine kommunistische Partei lässt alle Hemmschwellen und Schamgrenzen fallen. Roland Winkler, Aue

Dieses Virus hat Promille

Die neueste ungewöhnliche Google-Suche dreht sich um das mexikanische Bier Corona und das Coronavirus.

Einige befürchten, dass das Corona-Bier eine Ursache für die Verbreitung des Virus sein könnte. Merke: Der Punkt, dass es sich hierbei um Alkohol handelt, kann sich negativ auf die Personen auswirken, die diese Frage stellen. Dennis Fitzgerald, Melbourne, Australien

Hört auf zu schmatzen!

Ich verstehe die immer weitergehende Ausdehnung des Rassismusbegriffs nicht. Ich kann es nicht ausstehen, wenn Leute geräuschvoll essen. Schmatzen und Schlürfen finde ich extrem störend, wenn es nicht gerade von kleinen Kindern kommt. Ich weiß auch, dass die Essmanie­ren im Fernen Osten genau dies beinhalten. Nur, was ist daran jetzt rassistisch, dass mich Schmatzen und Schlürfen stört? Mich nerven ja nicht nur schmatzende und schlürfende Chinesen, sondern auch alle anderen, die das tun, eben mit oben genannter Ausnahme.

Katharina Reichenhall auf taz.de

Die Kategorie Rassismus

Eine steile These soll Anstoß erregen. Dies ist Lin Hierse gelungen – Chapeau! Ihr Kommentar lohnt das Lesen, hat Anerkennung verdient, geht stellenweise in geradezu spirituelle Tiefe. Damit hat die Autorin auch eine Diskussion ihrer These verdient – einschließlich entschiedenen Widerspruchs: denn ihre These selbst ist für eine Analyse des Problems ganz untauglich und ihr Versuch, diese These betont genervt („Gähn“) zu rechtfertigen, ist nicht besser. Aber es ist ja nicht diese spirituelle Meditation über Voraussetzungen des eigenen Denkens und Fühlens, die den Titel zur steilen These macht. Vielmehr ist es die „Logik des Gerichtsverfahrens: im Willen, diese oder jene Gesellschaft, Institution oder Gruppe für die schreckliche Sünde des ‚Rassismus‘ zu verurteilen oder sie von ihr zu entlasten.“ (Loïc J. D. Wacquant, Für eine Analytik rassischer Herrschaft) Wacquants Schlussfolgerung an anderer Stelle: „Wir müssen den Begriff des ‚Rassismus‘ und seine wissenszentrierte Voreingenommenheit aufgeben, soziologische Kategorien eindeutig vom ethno-rassischen Alltagsbewusstsein abgrenzen und uns von dem Zwang befreien, der von der Logik des Gerichtsverfahrens ausgeht. Dann liegt es an uns, schlechtes Gewissen in gute Wissenschaft zu verwandeln – und nicht umgekehrt.“

Alfred Trukenmüller, Dessau-Roßlau

Wohliger Grusel?

Ich lebte und arbeitete zur Zeit der großen Sars-Epidemie in Peking. Und ganz ehrlich gesagt, ich persönlich hatte nur Vorteile davon. Ich konnte den fast menschenleeren Kaiserpalast ohne lästige Touristenmassen besichtigen, Peking war nicht so überfüllt, weil die völlig verängstigten Menschen ihre Wohnungen kaum noch verließen. Und ich habe mich darüber lustig gemacht. Lag das daran, weil ich ein arroganter Schnösel bin oder etwa, weil ich rechnen gelernt habe und halbwegs mit Statistiken umgehen kann? Wie viele Menschen sterben jährlich in Deutschland an Grippe? Offiziell meist nur ein paar Hundert, allerdings schätzt das Robert Koch Institut die Dunkelziffer sehr hoch ein und geht von ein paar Tausend, bei einer schweren Grippesaison von bis zu 20.000 aus. Warum bricht jetzt wieder Panik aus, obwohl die gemeldeten Corona-Zahlen doch eigentlich dagegen sprechen? Wahrscheinlich, weil wir uns einmal wieder nach etwas Panik sehnen. Und die Medien nach Verkaufszahlen. Aber warum spielt die chinesische Regierung heute dieses bescheuerte Spiel mit? Um sich zu profilieren. Und das Coronavirus ist dafür perfekt. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass es wirklich zu einem Ausbruch kommt, an welchem Hunderttausende von Chinesen sterben. Und was passiert nun, wenn tatsächlich eine echte Pandemie ausbricht? Die Menschen werden genauso reagieren wie jetzt. Den leichten Grusel der Panik genießen, aber die Gefahr nicht mehr wirklich ernst ­nehmen. Martin Chan, Berlin

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