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wochenschnackWenn das Jugendamt wacht

Im Ballungsraum Hannover fehlen Pflegeeltern. Aber ist es überhaupt gut, wenn Kinder aus ihren Familien genommen werden?

Fehlt in Deutschland

In den Niederlanden gibt es eine „Schutzaufsicht“, in Fällen von Vernachlässigung behalten Eltern das Sorgerecht und die Kinder, aber Familienhelfer gehen in die Familien, leben dort auch in der intensiven Betreuungsphase Tag und Nacht mit. Sie beschützen die Kinder, helfen Eltern oder Alleinerziehenden bei Überforderung, ihren Auftrag wahrzunehmen, und erkennen vor Ort am besten, ob die Kinder aus den Familien heraus genommen werden müssen oder nicht. So etwas fehlt komplett in Deutschland. Nina Janovich, taz.de

Traumatisierung auf beiden Seiten

@Nina Janovich Das klingt sehr interessant. Können Sie mir hierfür Quellen für entsprechende Konzepte nennen?

Diese intensive Form der Familienbegleitung müsste man doch auch in Deutschland anbieten können. Viele Kinder werden hier aus Angst, es könne zu einer Gefährdung kommen, aus den Familien genommen. Oder der Mutter wird schon nach der Entbindung ihr Baby nicht zur Betreuung überlassen. Trennung der Kinder von ihren Eltern bedeutet in der Regel eine Traumatisierung auf beiden Seiten und könnte bei Unsicherheiten des Jugendamtes durch eine entsprechende „Schutzaufsicht“ ( klingt leider nicht so toll) sicher in vielen Fällen verhindert werden.

Wäre natürlich teurer als ein paar Stunden sozialpädagogische Familienhilfe. Aber sicher nicht teurer als jahrelanger Aufenthalt in öffentlicher Erziehung.

Ganz zu schweigen davon, was es für eine Kind und seine Entwicklung bedeutet, als Pflege-oder Heimkind aufzuwachsen ... Clara 0815, taz.de

Ideal von Pflegeeltern

Es gibt eben viel zu wenige Menschen, die dem Ideal von Pflegeeltern nach Kinder- und Jugendschutzbehörden entsprechen. Man muss verhältnismäßig reich oder wohlhabend sein, einen relativ spießigen Lebenslauf vorweisen können und am Ende der willkürlichen Beurteilung durch eine Fachkraft genügen.

Ab und an rutscht aber auch ein Pädophilenring durch und andere dem Kindeswohl, weil unglücklich machend, nicht entsprechende Menschen. Hampelstielz, taz.de

Entscheidender Aspekt

Bei den ganzen Diskussionen fehlt ein entscheidender Aspekt, den vor allem viele Jugendämter vergessen haben, und zwar: Es gibt kein Recht auf bestmögliche Förderung der Fähigkeiten eines Kindes!

Das sollten wir alle nicht vergessen!! Die meisten, die dies ignorieren, die sich anmaßen, alleine zu wissen, was für Kinder gut ist, haben keine eigenen Kinder. Dies ist auch in unserem Grundgesetz verankert.

Das Bundesverfassungsgericht stellt klar dar: „Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen“ (vgl. BVerfGE 24, 119; 60, 79).

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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Noch deutlicher wird es bei den Kriterien der Inobhutnahme: „Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts des Staates, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Das Grundgesetz hat den Eltern die primäre Entscheidungszuständigkeit bezüglich der Förderung ihrer Kinder zugewiesen. Dabei wird auch in Kauf genommen, dass Kinder durch Entscheidungen der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleiden“ (vgl. BVerfGE 60, 79; BVerfGK 13, 119). Boris Mai, taz.de

Überzogene Überschrift

Ich arbeite in einem Hamburger Jugendamt und empfinde die Überschrift als überzogen. „Übereifrig“ werden da wohl eher selten Kinder in Obhut genommen, im Gegenteil. Bei uns steigt massiv der Druck, lieber in kostengünstige und unverbindliche Hilfen im Stadtteil zu verweisen, statt teure Einzelfallhilfen anzubieten. Im Ergebnis kommen die meisten Familien nie in den Stadtteilangeboten an, die Situation verschlimmert sich und dann muss das Kind doch irgendwann rausgenommen werden. Die sozialräumlichen Angebote sparen der Stadt viel Geld, keine Frage. Aber dass wir gezwungen werden, sie statt Einzelfallhilfen anzubieten, wird über kurz oder lang zu toten Kindern führen.

Mio Müller, taz.de

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