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wir lassen lesenEin Faktenmonster zur Pokalgeschichte ergötzt

Freude an Glückauf Habbelrath

80 Mark kostet dieses Buch zur Historie des hiesigen Vereinspokals, und deshalb packt einen der gerechte Zorn, wenn man dann gleich in der vierten Zeile des ersten Texts eine Formulierung findet, die mit den Genfer Konventionen für Menschenrecht kaum noch vereinbar ist: „Wo sonst liegen Freud und Leid so dicht beeinander?“ Wer sich allerdings davon nicht abschrecken lässt und ins Blättern gerät, wird schnell merken, dass es hier auf die Texte – Zusammenfassungen aller Pokalwettbewerbe seit 1935 – ohnehin nicht ankommt. Und dass das auch gar nicht weiter schlimm ist.

Das Buch lebt von Statistiken. Fast sämtliche Aufstellungen aller Hauptrundenspiele seit dem Beginn des Wettbewerbs sind hier aufgeführt, dazu die Ergebnisse der regionalen Vorrunden zwischen 1935 und 1974, die in derart umfassender Form noch nirgendwo publiziert worden sind – macht bis zu sechs Seiten pro Saison. Um all diese Fakten zu sammeln, braucht es schon ein gewisses Maß an sympathischer Beklopptheit und stiernackiger Verbissenheit. „Genießen Sie Namen, Anekdoten und Ergebnisse“, heißt es auf der Rückseite von „Deutsche Pokalgeschichte seit 1935“, und da fragt sich natürlich mancher, ob man Namen, Statistiken, Fakten „genießen“ kann. Durchaus!

Here we go: Erika Schneidemühl, Hellas Marpingen und SC Viktoria Hühnerfeld, Westfalia Suderwich und Glückauf Habbelrath. Ja, man kann sich sogar an Zuschauerzahlen ergötzen: In der zweiten Hauptrunde der Saison 1952/53 lockte das Spiel Concordia Hamburg gegen VfB Mühlburg 11.000 Zuschauer an – heute würde nicht einmal ein Zehntel ins Stadion kommen. Aus den Statistiken gehen auch allerlei Kuriositäten hervor: 1957, ohnehin ein seltsames Pokaljahr, denn das Endspiel fand am 29. Dezember statt, ging das Berliner Finale zwischen Tasmania und dem Spandauer SV unentschieden aus, weshalb ein Wiederholungsspiel angesetzt wurde. Diese Partie wiederum musste, obwohl sie im Juni stattfand, beim Stande von 2:2 wegen Dunkelheit abgebrochen werden; Spandau wurde schließlich per Losentscheid als Sieger ermittelt, was dem Klub immerhin ein Halbfinal-Qualifikationsspiel auf Bundesebene bescherte (und das Eintrittsgeld von 10.000 Zuschauern, die Bayern München sehen wollten).

Hardy Grüne und Mathias Weinrichs 500 Seiten schwerer Brocken bietet allerdings auch die Gewissheit, dass die scheinbar ausführlichste Statistik noch viele Fragen aufwirft. Ende 1958 spielte in der ersten Runde auf süddeutscher Ebene Borussia Fulda gegen den RSV Petersberg 3:3. Unter dem Ergebnis findet sich die heute rätselhaft anmutende Zeile: „Petersberg verzichtete auf Verlängerung.“ Dasselbe tat, ebenfalls in der ersten Runde, Amicitia Viernheim fünf Jahre später nach einem 3:3 beim SV Waldhof. Warum bloß? Waren Wadenkrämpfe schuld? Gab’s abends noch was im Fernsehen?

Um die Textbeiträge nicht völlig zu vernachlässigen: Gut sind sie, wenn bizarrste Marginalien für die Nachwelt festgehalten werden. Zum Erstrundenspiel der Saison 1972/73 zwischen dem OSV Hannover und der damals von „Fifi“ Kronsbein trainierten Berliner Hertha ist beispielsweise vermerkt: „Auf der Tribüne Kronsbein-Gattin Gerda, die sich genüsslich am in Pappbechern gereichten Kaffee labte und erleichtert zugab: ‚Endlich einmal ein Spiel, bei dem es kein Zittern gibt.‘“

Mein Lieblingsergebnis stammt übrigens aus dem Juni 1953: Altona 93 Amateure – FC St. Pauli 3:0. Aber das ist eine andere Geschichte. RENÉ MARTENS

Hardy Grüne/Matthias Weinrich:„Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs, Band 6: Deutsche Pokalgeschichte seit 1935“, Agon Verlag, Kassel 2000, 512 Seiten, 80 DM

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