wir lassen lesen: Die Memoiren des irischen Exkapitäns Roy Keane
„Ich bin sicher, er meint es gut“
Eigentlich sollte es ein Tagebuch der Fußballweltmeisterschaft in Japan und Südkorea werden. Doch noch vor Beginn der Spiele beschwerte sich Irlands Kapitän Roy Keane über die mangelhaften Trainingsbedingungen und bescheinigte seinem Trainer Mick McCarthy, ein schlechter Spieler gewesen und ein schlechter Trainer zu sein. Darüber hinaus sei er „nichts als ein blöder Wichser“. McCarthy schickte seinen einzigen Spieler von Weltklasse nach Hause, die Iren schieden im Achtelfinale gegen Spanien nach Elfmeterschießen aus.
Nun hat Keane seine Memoiren geschrieben – mit Hilfe des ebenso umstrittenen Journalisten und ehemaligen Nationalspielers Eamon Dunphy, der von McCarthy auch nicht viel hält und bei der WM im Übrigen ebenfalls aus seinem Team flog – dem von Irish TV, nachdem er betrunken kommentiert hatte. Keanes Kritik an McCarthy und seine Einschätzung der Ereignisse in Japan, die zu seiner vorzeitigen Abreise führten, sind in dem Buch natürlich enthalten. „Ich bin mir sicher, er meint es gut“, kommentierte McCarthy sarkastisch.
Doch noch bevor „Keane – The Autobiography“ überhaupt erschienen ist, hat das Buch für den ersten Gerichtsprozess gesorgt. Keane hat zugegeben, dass er Alf Inge Haaland, den norwegischen Mittelfeldspieler von Manchester City, im vorigen Jahr absichtlich verletzt habe, indem er auf sein rechtes Knie sprang. Er ging danach schnurstracks in die Kabine, noch bevor ihm der Schiedsrichter die rote Karte gezeigt hatte. Keane war wütend auf Haaland, weil er sich drei Jahre zuvor bei dem Versuch, Haaland zu foulen, schwer verletzt hatte und zehn Monate nicht spielen konnte. Noch auf dem Spielfeld hatte ihn der Norweger höhnisch als Simulanten verspottet. Haaland musste nach Keanes Racheakt ebenfalls fast eine ganze Saison lang zuschauen. Seine Klage gegen den irischen Kapitän dürfte dennoch keinen Erfolg haben: Es war das linke Knie, das ihn außer Gefecht gesetzt hatte.
Keane kommt in seinem eigenen Buch nicht besonders gut weg. Er beschreibt seine Alkoholprobleme, die ihm außerhalb des Spielfeldes eine Menge Scherereien eingebracht haben. Einmal ohrfeigte er eine Frau in einer Kneipe und musste eine Nacht in Polizeigewahrsam verbringen. Es sei seine eigene Schuld gewesen, sagt Keane. Auch der Boxhieb, mit dem er Englands Mittelstürmer Alan Shearer vor einem Jahr während des Spiels niederstreckte, sei ein Fehler gewesen.
Seine Mitspieler bei Manchester United kommen nicht ungeschoren davon. Keane wirft ihnen vor, dass der Erfolg sie satt gemacht habe, sodass Manchester am Ende der vergangenen Saison ohne einen einzigen Titel dastand. Man hat nach der Lektüre des Buches das Gefühl, dass Keane ein Besessener ist, der für die meisten Menschen nur Verachtung übrig hat. Selbst von McCarthys Vorgänger Jack Charlton hält Keane nichts. Der englische Weltmeister von 1966 werde völlig überschätzt, meint Keane.
Dabei ist Charlton beinahe ein Heiliger in Irland, er hat den Fußball wieder salonfähig gemacht, nachdem die Nationalmannschaft jahrelang von einer Niederlage in die andere gestolpert und der Verband fast bankrott gegangen war. Charlton ist der einzige Engländer, der im 20. Jahrhundert zum irischen Ehrenbürger gemacht wurde. „Er hat mich weder als Mensch noch als Trainer beeindruckt“, sagt Keane. „Die Vorbereitungen für die Spiele waren ein schlechter Witz. Charlton hat uns seine krude Taktik aufgezwungen, ohne auf das Können seiner Spieler einzugehen. Pässe zu spielen hatte bei ihm keinen Vorrang.“
Jason McAteer, Keanes Nachfolger als irischer Mannschaftskapitän, wird das Buch nicht kaufen. „Ich besorge mir lieber die CD über Bob, den Bauarbeiter, für meinen zweijährigen Sohn“, sagte er. „Diese ganze Keane-Geschichte scheint alle fünf Minuten hochzukochen. Aber uns Spieler interessiert das nicht mehr.“
Vielleicht ändert sich das, wenn die irische Mannschaft sich nicht für die nächste Europameisterschaft qualifizieren kann. Am 7. September bestreitet sie das erste Qualifikationsspiel in Russland, wo es das junge und unerfahrene Team ohne einen Kopf, wie Keane es war, schwer haben wird. Dann könnte die Stimmung bei den Fans schnell gegen McCarthy umschlagen. Wie beliebt Keane in Irland trotz allem ist, zeigte das Spiel zwischen Manchester United und dem Dubliner Club Shelbourne. Die 11.000 Zuschauer im ausverkauften Stadion bereiteten ihm im Juli einen begeisterten Empfang. Die drei Leibwächter von der Statur Mike Tysons hätte Keane ruhig zu Hause lassen können.
Im Oktober erscheint im Übrigen Mick McCarthys WM-Tagebuch. Die Schlammschlacht ist vorprogrammiert: Cathal Dervan ist der Ghostwriter des Trainers. Er erzählte vorletzte Woche, wie er Keane einmal nach einem Gelage in Manchester aus dessen Erbrochenem gezogen habe. Dervan fügte hinzu: „Ich bedauere heute, dass ich ihn nicht in seiner eigenen Kotze ertrinken ließ.“
RALF SOTSCHECK
Roy Keane, Eamon Dunphy: „Keane – The Autobiography“, Penguin 2002, 17,99 £
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen