wie machen sie das?: Die Kuschlerin
Elisa Meyer, 34, ist professionelle Kuschlerin und betreibt die Kuschler*innenvermittlung „Die Kuschel Kiste“.
taz am wochenende: Frau Meyer, in Ihrem Beruf kommen Sie Menschen ganz nah, trotz Corona. Wie machen Sie das?
Elisa Meyer: Wir hatten, je nach Bundesland, zwei bis drei Monate Berufsverbot. Im Zuge der Lockerungen für körpernahe Dienstleistungen konnten wir unser Angebot wieder hochfahren. Es gibt viele verschiedene Kuschelarten und -positionen. In der Coronazeit bevorzugen wir distanziertere Positionen, zum Beispiel Streichelmassagen oder Rückenkraulen. Positionen, in denen wir einander frontal zugewandt sind, vermeiden wir. Wenn der Abstand zwischen uns weniger als 1,5 Meter ist, tragen wir außerdem eine Maske. Wir kuscheln auch nicht mit mehr als einer Person pro Tag. Außerdem empfehlen wir die Corona-App und notieren die Kontaktdaten unserer Kund*innen.
Was für Menschen kommen zu Ihnen zum Kuscheln?
Es sind Menschen, die sehr isoliert leben und sich dadurch einsam oder sogar depressiv fühlen. Sie haben Sehnsucht nach Intimität, wollen einfach jemanden halten, aber haben niemanden, mit dem sie das tun können oder wollen. Die meisten von ihnen haben es noch nicht geschafft, eine Partnerschaft einzugehen. Manchmal liegt das daran, dass sie an einer sozialen Phobie oder anderen psychischen Problemen leiden. Kuscheln kann für diese Menschen ein erster Schritt sein, Selbstbewusstsein zu entwickeln und später dann vielleicht auch eine*n Partner*in zu finden.
Wie hat Corona die Nachfrage nach professionellem Kuscheln verändert?
Als im Mai und Juni die Lockerungen kamen, stiegen die Anfragen. Auch von Menschen, die vorher noch nicht bei uns waren. Einige von ihnen haben uns geschrieben, dass sie durch Corona gemerkt haben, wie einsam sie eigentlich sind, und jetzt das professionelle Kuscheln mal ausprobieren wollen.
Wie sind Sie zum professionellen Kuscheln gekommen?
Ich habe die Idee aus Amerika. Im Jahr 2009 hat Travis Sigley das professionelle Kuscheln sozusagen erfunden. Als neuen Beruf, der die Lücke füllt zwischen erotischen Dienstleistungen und Therapie. Er hat gemerkt, dass viele Menschen Berührungen brauchen, aber dafür nicht zu einem*einer Sexarbeiter*in gehen wollen. Und eben auch nicht krank sind und deswegen eine*n Therapeut*in bräuchten. Ich bin über einen Artikel gestolpert und konnte mir das gleich gut vorstellen. Vorher hörte ich oft, dass ich ein Talent hätte, mit Menschen in Kontakt zu kommen. Außerdem probiere ich gerne Neues aus. Und so ist aus einer verrückten Idee nach einigen Jahren das Unternehmen „Die Kuschel Kiste“ geworden. Christina Focken
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