wie machen sie das?: Die Organisatorin
Julia Schütze, 27, lebt seit rund drei Jahren mit 18 anderen Menschen zwischen 23 und 35 im Neuwirtshaus in Hanau – einem Projekt des Mietshäusersyndikats.
taz am wochenende: Frau Schütze, Sie leben mit vielen anderen Menschen zusammen – und müssen das Gemeinschaftsleben organisieren. Wie machen Sie das?
Julia Schütze: Ganz viel reden. Als große Gruppe haben wir das institutionalisiert: Wir treffen uns alle zehn Tage zum Plenum und entscheiden im Konsens.
Worum geht es im Plenum?
Um viel Organisatorisches: Steuererklärung, Briefe, Reparaturen, Arbeitsgemeinschaften, gemeinsame Aktionen. Gerade haben wir auch jedes Mal Coronatalk. Da klären wir, ob wir Gäste ins Haus lassen oder nicht oder was mit Partner:innen ist. Das ist wie eine Sinuskurve – mal strenger, mal weniger streng. Wir richten uns nach dem, der Angst hat.
Ist das schwierig, wenn sich 18 Menschen einschränken müssen, weil einer Angst hat?
Es passiert immer mal wieder, dass sich jemand nicht an die Regeln hält – weil sie vergessen werden oder man denkt, man macht nur mal eine kleine Ausnahme. Auch darüber wird im Plenum gesprochen. Dann probieren wir es noch mal. Und lernen.
Wie sieht es sonst aus?
Wir haben Arbeitsgemeinschaften für bestimmte Bereiche wie unsere Werkstatt oder Finanzen. Die laufen selbstständig, dadurch wird die Kommunikation klarer und einfacher. Und wir haben Telegram-Gruppen für schnelle Entscheidungen oder Nachfragen.
Holen Sie sich externe Hilfe zur Kommunikation?
Selten. Wenn die Stimmung nicht gut ist, probieren wir Methoden aus, die wir kennen, und schauen uns neue an. Es steht auch noch ein Workshop in gewaltfreier Kommunikation an.
Was sollte man mitbringen, um in einem Projekt wie Ihrem zu leben?
Ich denke, man sollte echt gerne reden – und keine Angst davor haben, Sachen anzusprechen. Wenn es blöde Gefühle gibt, dann meistens, weil zu wenig geredet wird. Ich melde zurück, wie etwas bei mir angekommen ist, das ich komisch finde, und frage, ob ich das richtig verstanden habe.
Haben Sie noch Zeit für andere Dinge?
Natürlich kostet es viel Energie, permanent mit vielen Menschen konfrontiert zu sein. Und die kann dann auch mal woanders fehlen. Aber ja, habe ich.
Wieso leben Sie so?
Weil es konsequent dem entspricht, was ich richtig finde und immer wollte: gemeinsam, teilend, fürsorgend, nachhaltig, politisch, engagiert, gleichberechtigt. Und es ist schön hier. Wir haben einen großen Garten, Foodsharing, Tiere, den Wald, den See, und es ist immer jemand da, der Hallo sagt.
Interview: Christina Spitzmüller
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