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wie machen sie das?Die Wandernde

Ruth Häckh, 56, lebt mit 400 Schafen und vier Hütehunden in Sontheim in Baden-Württemberg. Sie war lange als Wanderschäferin unterwegs und hat über ihre Erfahrungen ein Buch mit dem Titel „Eine für alle. Mein Leben als Schäferin“ geschrieben.

taz am wochenende: Frau Häckh, Sie sind als Schäferin viel mit Ihren Tieren alleine, trotzdem haben Sie ein Sozialleben und Familie. Wie machen Sie das?

Ruth Häckh: Ich habe mein Sozialleben immer dort, wo ich gerade bin. Wenn ich im Winter mit den Schafen auf der Winterweide war, 200 Kilometer von meiner Familie entfernt, hatte ich dort gute Freunde, bei denen ich gewohnt habe.

Spielt das Telefon eine große Rolle?

Heute ist das natürlich ganz einfach durch das Internet und WhatsApp und all das. Früher ging es aber auch. Da mussten eben die fünf Minuten Telefonat von der Telefonzelle aus reichen, um mit der Familie zu sprechen.

Sind die Schafe also genauso wichtig wie die Familie?

Diese Frage stellt sich gar nicht. Ich habe Schafe, also muss ich mich um die kümmern. Die kann ich nicht mal eben für drei Jahre auf Stand-by setzen, weil etwas anderes wichtiger ist. Familienersatz sind die Tiere zwar nicht, aber ich fühle mich ihnen verbunden wie einer Familie.

Wie sind Sie zur Schäferei gekommen?

Mein Vater war Schäfer, ich bin mit den Tieren aufgewachsen. Dann habe ich studiert, aber das war mir zu viel Theorie. Deshalb habe ich mich vor 30 Jahren dazu entschieden, als Schäferin zu arbeiten, und eine Ausbildung bei meinem Vater gemacht.

Seit zehn Jahren sind Sie nicht mehr auf Wanderschaft. Warum?

Das hat nicht mehr funktioniert. In der Natur hat sich so vieles verändert – es gibt kaum noch Wiesen, die nicht gedüngt werden, weil die Landwirtschaft viel intensiver geworden ist. Meine Schafe fressen natürlich kein Gras, auf dem Gülle und Mist liegen. Und wenn ich über mehrere Kilometer keine ungedüngte Wiese finde, kann ich nicht mit den Tieren von der Sommer- auf die Winterweide umziehen.

Wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?

Ich hatte früher das Doppelte an Schafen, davon konnte ich leben. Mit den 400 Tieren jetzt ist der Betrieb nicht überlebensfähig.

Warum ist die Schäferei trotzdem wichtig?

Weil die Schafe die Landschaft ganz natürlich pflegen und die Artenvielfalt erhalten. Sie müssen nicht mit Öl oder Benzin betankt werden. Und ganz nebenbei liefern Schafe das gesündeste Fleisch, das man essen kann. Wenn die Politik das nicht stärker fördert, werden die Schäfereien aussterben. Aber wer zum Beispiel Lammfleisch aus Deutschland kauft statt aus Neuseeland, kann uns Schäferinnen und Schäfer auch unterstützen. Interview: Christina Spitzmüller

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