werthebachs bilanz: Die Krise als Chance
Die graue Maus hat Farbe bekommen. Ein Jahr nach seiner Wiederwahl zum Innensenator konnte Eckart Werthebach (CDU) gestern eine politische Erfolgsbilanz präsentieren. Das fiel ihm umso leichter, als er erst vor wenigen Tagen seinen bislang größten Coup gelandet hat: Er stellte eine Datenschützerin an die Spitze des Berliner Verfassungsschutzes – und bewies damit auch seinen Kritikern, dass er es mit der Reform der skandalgeschüttelten Behörde ernst meinte.
Kommentar von RALPH BOLLMANN
Damit hat Werthebach die in der Politik so wichtige Fähigkeit unter Beweis gestellt, eine Krise in einen persönlichen Erfolg zu verwandeln. Schließlich stand er selbst wegen der Geheimdienstpannen mit dem Rücken zur Wand – nicht zuletzt, weil belastende Akten zum mangelhaften Schutz des israelischen Konsulats im Reißwolf verschwanden. Jetzt ist der Senator vom Aktenvernichter zum Reformer geworden.
Auch die Debatte über den Rechtsradikalismus nutzte Werthebach geschickt für sein politisches Ziel, das Demonstrationsrecht in der Mitte Berlins einzuschränken. Nicht nur bei diesem Thema fand er in Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) einen Gesinnungsfreund. Dass ein neues Gesetz, sollte es überhaupt dazu kommen, vermutlich von den Verfassungsrichtern kassiert wird – das dürfte den Senator kaum stören: Er hat ein Thema besetzt, und darauf kommt es an.
Das zeigt: Werthebach besitzt weit mehr politisches Geschick, als es seinem Image eines unpolitischen Beamten entspricht. Jene Professionalität, die in der Bundespolitik selbstverständlich war, hebt ihn jetzt aus der Masse der Lokalpolitiker heraus. „Unpolitisch“ ist der stets unterschätzte Verwaltungsmann nur insofern, als er erst spät in die CDU eintrat und nie eine Parteikarriere anstrebte. Aber auch das kommt ihm jetzt zugute: Es bewahrt ihn vor jener Rivalität mit dem Regierenden Bürgermeister, die seinem Vorgänger Jörg Schönbohm oder der gescheiterten Kultursenatorin Christa Thoben zum Verhängnis wurde.
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