weihnachtsfieber: Geschenke auf den Grill!
Über die Kunst des Nichtschenkens
Stress. Menschen mit voll bepackten Einkaufstüten drängeln sich durch die Potsdamer-Platz-Arkaden. Die gehetzten Weihnachtsgeschenkjäger schauen ratlos, gequält und manchmal auch gelangweilt. Und dann auch noch das: Ein Künstler-Freak steht genau vor dem Eingang und verbrennt die wertvollen Gaben auf dem Grill. Christian 3 Rooosen, so nennt sich der Künstler, fordert die Passanten auf, auch ihre Geschenke ins Feuer zu schmeißen. Mit schwarzen Mantel und angeklebten Bart sieht er aus wie ein Prediger. Einer, der es eigentlich gut mit ihnen meint.
„Geschenke sind out, verbrannte Geschenke sind in“, ruft Rooosen. Seine lächelnde Assistentin packt die Asche eines verbrannten Päckchens in Silberfolie. Obendrauf klebt sie einen roten Adventsstern. Viele Menschen beobachten ungläubig das Szenario, eine Gruppe Touristen ist sichtlich amüsiert. Aber alle umklammern fest ihre Taschen und wollen nichts opfern. Rooosen geht in die Offensive: „Geschenke raus! Ein Ende dem Geschenkterror!“ „Das ist doch schon langsam kein Spaß mehr“, schimpft eine Frau.
Unter dem weißen Bart lugt das breite Grinsen des Künstlers hervor. Er wolle mit seiner Kunstaktion provozieren, ganz im Sinne der Happenings in den Siebzigerjahren. Die materialistisch gewordene Adventszeit nerve ihn: „Allein die Geste des Schenkens zählt doch“, sagt Rooosen. Was unterm Weihnachtsbaum ausgepackt werde, lande sowieso meist schnell in der Ecke. Bei ihm hingegen könne man das Volumen der Geschenke auf ein Häuflein Asche minimieren. „Als Nikolaus biete ich den gestressten Leuten Erleichterung“, so Rooosen. An seinem Geburtstag habe er die Performance erstmals ausprobiert. Alle hätten erstaunt zugeschaut, manche auch lauthals gelacht. Zwei von seinen Freunden hat er jedoch nie wieder gesehen: Sie verließen die Party noch während der bizarren Vorführung. Weil die Aktion kaum unterschiedlichere Reaktionen hätte hervorrufen können, sei ihm die Idee gekommen, sie an den Samstagen vor Weihnachten durchzuführen.
Vor einer Woche grillte er vor dem KaDeWe. Nach nur zehn Minuten kam die Polizei. Von der Geschäftsleitung gerufen, erzwang sie die Beendigung der Aktion. Rooosen konnte weder eine Standgenehmigung noch eine Feuererlaubnis vom Umweltamt vorweisen. Aber diese Komplikationen hat er eingeplant. Auch an diesem Samstag – nur die Polizei lässt sich nicht blicken. Dennoch ist auch vor den Arkaden nach einer Viertelstunde Schluss. Die vorbereiteten Geschenke gehen aus. Die meisten Passanten haben sich längst wieder auf die Jagd gemacht. HENNING KRAUDZUN
Infos unter: www.3rooosen.de
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