piwik no script img

wahlfarce in floridaDie Schadenfreude der Diktatoren

Florida liegt zwar ungefähr auf demselben Breitengrad wie Kairo und Karatschi, aber bisher konnte man die politische Kultur dieser Metropolen deutlich unterscheiden von der amerikanischen. Das groteske Theater aber, das jetzt in Florida um Verlauf und Auszählung der US-Präsidentschaftswahl veranstaltet wird, könnte nun einige dieser Unterschiede verwischen. In Panik angesichts des knappen Vorsprungs ihrer republikanischen Gegner erklären aufgeregte Demokraten ihre „Bereitschaft zum Kampf“, drohen mit juristischen Schritten zur Teilannullierung der Wahl und fordern eine neue Abstimmung. Einigen Gore-Fans fällt jetzt ein, dass sie wegen der Komplexität des Wahlzettels aus Versehen für jemand anderen gestimmt hätten.

Kommentarvon DOMINIC JOHNSON

Offenbar gibt es Anhänger des US-Vizepräsidenten, die nicht bereit sind, auch nur die Idee einer möglichen Wahlniederlage ihres Favoriten zu akzeptieren. Es ist ein Spektakel, wie man es eher in Ägypten oder Pakistan und in anderen Wackeldemokratien der Dritten Welt erwarten könnte – aber doch nicht ausgerechnet in dem Land, das sich für die Mutter der Demokratie schlechthin hält.

Ohne es zu merken, sind die USA dabei, durch diese Wahlfarce weltweit ihren Ruf zu ruinieren. Immer wieder machen US-Außenpolitiker die Entwicklungshilfe davon abhängig, ob die Empfängerländer die demokratischen Spielregeln und Menschenrechte respektieren. Ständig touren US-Experten durch die Dritte Welt, geben Lektionen über korrekte Wahlverfahren und beschweren sich über Unregelmäßigkeiten. Wer wird dies jetzt noch ernst nehmen? Was soll der nächste US-amerikanische Präsident einem afrikanischen Diktator entgegnen, der Kritik an seiner Wahl mit dem Hinweis abbügelt, im reichsten und mächtigsten Land der Welt sei doch wohl auch nicht alles vorbildlich abgelaufen?

Das erschwert den Kampf für mehr Demokratie auf der ganzen Welt. In zahlreichen Ländern berufen sich verfolgte Menschenrechtler und Oppositionspolitiker auf das Vorbild USA. Sollten aber die Verlierer in Florida, wer immer sie letztendlich sein mögen, weiterhin dermaßen bedenkenlos herumzetern, schwächen sie die Glaubwürdigkeit des US-amerikanischen Systems. Die viel gepriesene westliche Demokratie erscheint dann als ein angeschlagenes Auslaufmodell, dessen Spielregeln nicht einmal mehr in den USA einmütig anerkannt werden. Die Schadenfreude der Diktatoren wird nicht auf sich warten lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen