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wahlen in hamburgAlb-Traumstart für Rechtspopulisten

Revolution im Wahllokal: Bei der gestrigen Bürgerschaftswahl in Hamburg wurde die Dauerregierungspartei SPD nach 44 Jahren aus dem Amt gejagt. Einzig die SPD – weiterhin die stärkste Partei – weigerte sich gestern Abend noch, die Realitäten anzuerkennen. Bürgermeister Ortwin Runde bot trotzig FDP und CDU Sondierungen über eine mögliche Koaliton an – was diese umgehend zurückwiesen.

Kommentarvon SVEN-MICHAEL VEIT

Gescheitert ist damit der Versuch der Sozialdemokraten, von den Ereignissen des 11. September zu profitieren. Auch Rundes betont staatsmännisches Auftreten in der vorigen Woche nutzte nichts mehr. Der Wahlkampf der inneren Sicherheit, den die CDU und die „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ des Polit-Richters Ronald Schill der SPD seit Monaten aufgezwungen hatten, war bereits verloren, obwohl Runde seinen Innensenator Olaf Scholz mit harter Hand reagieren ließ. Mehr Polizisten, mehr Verfassungsschützer und die Einführung der Rasterfahndung demonstrierten einen Aktionismus in letzter Minute, der die Wiederwahl sichern sollte. Die Orientierung nach rechts brachte zwar ein paar Stimmen ein – aber die Rechnung ging dennoch nicht auf. Wieder einmal zeigte sich, dass WählerInnen das Original dem Plagiat vorziehen.

Eine böse Abfuhr musste die real regierende GAL einstecken. Zwar verlor sie erwartungsgemäß etliche Stimmen an ihre linke Abspaltung Regenbogen, genauso viele frühere Grünen-WählerInnen aber müssen ihr frustriert die Gefolgschaft verweigert haben. Der Kurs des allzu friedvollen Umgangs mit dem großen Koalitionspartner SPD endete in einem einstelligen Debakel – eine Warnung auch an die Grünen im Bund ein Jahr vor den Bundestagswahlen.

Der nächste Hamburger Regierungschef wird Ole von Beust heißen. Allzu viel Freude aber dürfte der CDU-Spitzenkandidat nicht damit haben. Ein deutlich schlechteres Ergebnis als vor vier Jahren mit klar unter 30 Prozent macht ihn zum schwächsten Regierungschef aller Zeiten im Stadtstaat an der Elbe. Nicht so sehr die Liberalen werden es sein, die im künftigen Bürgerblock aus CDU, Schill-Partei und FDP für Ärger sorgen. Die sind nach acht Jahren schon froh, überhaupt wieder ins Landesparlament eingezogen zu sein. Das Problem des Ole von Beust heißt Schill. Der Alb-Traumstart des Rechtspopulisten ist in der Geschichte deutscher Landtagswahlen ohne Beispiel. Mehr als 17 Prozent aus dem Stand hat noch niemand geschafft. Umso größer das Selbstbewusstsein des gnadenlosen Richters, von dessen Gnaden nur der christdemokratische Freiherr Bürgermeister werden kann.

Sehr wahrscheinlich ist nach diesem Hamburger Ergebnis, dass Schill in einem halben Jahr es erstmals in einem Flächenland versuchen wird. Im März wird er in Sachsen-Anhalt die CDU und die dort starke DVU das Fürchten lehren. Und im Herbst vermutlich auch in Mecklenburg-Vorpommern. Diese neuen Bundesländer mit ihren vielen Polit-Frustrierten kommen Schill gerade recht.

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