piwik no script img

vorlaufVon Spinnen und Spinnern

Ein Zwilling zu viel

(20.15 Uhr, ARD)

„Frau Brandes, ich weiß, dass das jetzt ein Schock für Sie ist. Aber ich bin dein Bruder.“ So stellt sich der Klein-Ganove Franz (Thomas Heinze) der jungen (und reichen) Geschäftsfrau Inga (Nele Mueller-Stöfen) vor. Diese mag das natürlich zuerst nicht glauben – zu Recht, denn Franz kommt nicht aus fernen Ländern, wie er sagt, sondern aus dem Knast. Dort saß er mit Kurti in einer Zelle, dem richtigen Zwillingsbruder von Inga, und der erzählte ihm von seiner Schwester mit ordentlich Vermögen und schickem Haus in den Hamburger Elbvororten. Nun muss Kurti leider noch ein bisschen länger absitzen, und da Franz Schulden bei einer dubiosen Kiez-Größe (Andreas Hoppe, Assistent von Ulrike Folkerts im SWR-Tatort) hat, kommt er auf die Idee, sich als lange verschollener Zwillingsbruder auszugeben und seine vermeintliche Schwester (finanziell) gebührend auszunehmen.

So richtig originell ist die Ausgangssituation zugegebenermaßen nicht. Aber einige Szenen zeigen, wie man diesem Plot neue und auch ernste Seiten hätte abgewinnen können. Dann nämlich, wenn Franz und Inga über ihre (vermeintliche) Vergangenheit sprechen und sich zeigt, welche Bindekraft Familie auch in der heutigen Zeit besitzt – und wie zufällig und damit brüchig so ein Gebilde gleichzeitig ist. Aber solch Reflexionspotential geht dem Film „Ein Zwilling zu viel“ von Ulrich Limmer, Hans Schöne (Buch) und Thomas Bohn (Regie) komplett ab. Angereichert mit Sätzen wie aus einem Lore-Roman („Vielleicht gibt es Wichtigeres im Leben, als reich zu sein“, „Um seine Träume zu verwirklichen, muss man an sie glauben“) spult der Film ohne wirklich überraschende Einfälle seine Geschichte routiniert ab: Franz und Inga verlieben sich ineinander, der „richtige“ Zwillingsbruder taucht auf und auch die Unterwelt St. Paulis sorgt für vorhersehbare Konflikte.

Schauspielerisch zu überzeugen vermag nur Nele Mueller-Stöfen, die hier zeigen kann, dass sie neben dem Zicken-Fach auch stillere, verletzbare Charaktere darzustellen vermag. Darum darf sie im Verlauf des Filmes auch den schönen Satz sagen darf: „Angst hat man nur vor Spinnen und dummen Menschen.“ So klug und charmant ist der Film leider nur selten.

THORSTEN PILZ

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen