vorlauf: Schleier-Los
„Zinat, ein besonderer Tag“
(22.15 Uhr, Arte)
Frauen auf der Insel Queshm, im Süden des Iran, sind auf Fotos nicht wiederzuerkennen. Sie tragen den Borqué, eine Gesichtsmaske, die einem Hundemaulkorb ähnelt. Und zwar von der Hochzeit, die offenbar bereits einen partiellen Abschied aus dem Leben darstellt, bis zum endgültigen Tod. Deshalb muss die Iranerin Zinat zu dem Foto, das sie kurz nach ihrer Heirat zeigt, auch erklären: „Das bin ich.“
Vor 13 Jahren hat Zinat, wie Ebrahim Mokhtaris Film genüsslich schildert, entgegen allen Einwänden der Dorfbewohner nicht nur ihre Maske abgelegt, um Krankenschwester zu werden – sondern damit auch jegliche Bescheidenheit: ein passender Film zum Internationalen Frauentag. Zinat kandiert nämlich für die Gemeindewahlen – gegen ihren eigenen Mann und drei weitere Bewerber. Sie ist felsenfest überzeugt, die beste Kandidatin zu sein. Sie hat Ziele, von denen sie weiß, dass nur sie diese umsetzen wird: Eine Mädchenschule soll gebaut werden, eine Sporthalle, in der Mädchen Sport treiben, aber sich auch einfach nur treffen können.
Und: Politik muss Spaß machen. Gemeinsam mit den Frauen des Dorfes will sie Muscheln sammeln, schöne Dinge basteln. Außerdem führt sie leidenschaftlich gern lebhafte Debatten mit ewiggestrigen Männern. Diese treibt sie so weit, absurdeste Argumente für die Ungleichheit zwischen Mann und Frau vorzubringen. Die Folge: allgemeines Gelächter. Ereifert sich etwa einer über die Gefahren, wenn Frauen sich frei in der Berufswelt bewegen, genießt Zinat sichtlich diese dramaturgisch zugespitzte Szenerie: Eine Frau bringe 200 Männer in die Hölle. Sie wackele mit den Hüften, schminke sich. Kurz: „Der Mann ist Benzin, die Frau Feuer, zusammen brennen sie.“ Zinat geht scheinernst auf die Sorge ein: Dies sei doch ein Problem der Männer.
Die Dokumentation ist ein wunderbarer Film, um Mut zu schöpfen. Die Kamera hält fest, mit welcher Leichtigkeit und unbekümmerter Fröhlichkeit Zinat Grenzen überschreitet, staubige Konventionen missachtet und sich dabei derart pudelwohl fühlt, dass dies ansteckend ist. So lustig kann Emanzipation sein, ganz ohne lila Latzhosen.
GITTA DÜPERTHAL
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