vorlauf kunst: Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um
Die Wände sind hüfthoch in samtigem Blau gestrichen, durch das Schaufenster links der Eingangstür schimmern rote Vorhänge. Für die Ausstellung von Eva Maria Ocherbauer hat die Galerie Laura Mars Grp. den Raum in der Sorauer Straße 3 in einen Salon verwandelt. Dabei bricht sich die leichthin schwirrende Atmosphäre mit den am Computer hochgerechneten Fotografien der österreichischen Künstlerin: „Nature morte“ zeigt Gegenstände und Porträtgesichter, die entlang ihrer Umrisse zugeschnitten und auf Plexiglasplatten aufgezogen wurden. Als hätte sich der Frost des Alltags über den Dingen und Menschen ausgebreitet, fügen sich bei Ocherbauer gehäutete Hammelschädel und zarte Lilienblätter ebenso zueinander wie lächelnde buddhistische Nonnen und türkische Transvestiten. Überall ist der schöne Schein und die Vergänglichkeit fein ausbalanciert, die Motive ergänzen sich wie in einem barocken Reigen farblich und formal. In Ocherbauers fotografischer Welt sind die Zeichen des Verfalls vom Leben nicht geschieden. Das macht sie reizvoll.
Auf einem Teller steht eine 20 Zentimeter hohe Kerze. Sie ist mit Goldstaub bedeckt, hat die Form eines Dollarzeichens und brennt allmählich ab. Unaufhaltsam, bis zum Schluss der Ausstellung „Fake“ von Swetlana Heger bei cbb.chouakri brahms berlin, im S-Bahn-Bogen 47, Holzmarktstraße 15–18, am 10. November. Unten verläuft das herabtropfende Wachs zu einer lavaartigen Masse. Wo in diesen Tagen Dollar-Kerzen angezündet werden, ist der 11. September meistens nicht weit. Für Heger liegt der Prozess allerdings in der Sichtbarmachung „sozio-ökonomischer Zusammenhänge“, im Kreislauf der Waren und Märkte – und nicht in der Trauer um die Toten. Das ist eine intelligente Variante des Gedenkens.
Achja, fast vergessen: Andy Warhol in der Neuen Nationalgalerie.
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