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Archiv-Artikel

vor ort NATALIE WIESMANN über „schwule“ Werbebotschaften aus Remscheid

Die Stadt Remscheid hat seit zwei Jahren ein Imageproblem. So lange schon wird der neue Werbefilm, der die 120.000-Einwohner-Stadt im Bergischen Land als Wirtschaftsstandort attraktiv machen soll, von der Stadt zurückgehalten. Jetzt fordern Grüne und die Wählervereinigung W.I.R. die SPD-Oberbürgermeisterin auf, den Film der Öffentlichkeit zu zeigen.

Über den Film ist im Vorfeld der Veröffentlichung allerlei spekuliert worden: Weil die städtische Wirtschaftsförderung federführend am Drehbuch beteiligt war, vermuteten die Grünen, er sei zu wirtschaftsorientiert. Der ehemalige CDU-Oberbürgermeister Fred Schulz, in dessen Amtszeit das Werk entstand, soll mit dem Endergebnis extrem unzufrieden gewesen sein. Bei der Premiere 2004 sei er regelrecht ausgeflippt, berichtete die Bergische Morgenpost am vergangenen Samstag: „Es wurde rumgebrüllt, wir wurden regelrecht aus dem Büro geworfen“, erinnerte sich der städtische Baudezernent. Anwesende hätten berichtet, der Film soll auf Schulz „zu schwul“ gewirkt haben. Gegenüber der taz dementiert er, so etwas jemals gesagt zu haben. „Der Film war mir zu Science-Fiction-mäßig“, sagt er. Er habe entgegen der Abmachungen zukünftige Bauprojekte in den Vordergrund gestellt und außerdem „nichts Liebenswertes“ gehabt.

Schulz, der 2004 fest davon ausging, bei der Kommunalwahl wiedergewählt zu werden, hatte daher vom Produzenten Nachbesserungen gefordert. Doch dann verlor er sein Amt knapp an die SPDlerin Beate Wilding. Und mit seinem Abgang ging auch der Film verschütt – bis der Hersteller vor kurzem seine Restgage forderte. 65.000 Euro hat das 27-Minuten-Werk gekostet, ein Drittel davon hat der Ex-OB wegen der geforderten Nachbesserungen zurückgehalten.

Auch der neuen Stadtchefin schwebt ein anderer, „eher heimatverbundener“ Film vor. „Entweder der Film wird nachgebessert oder für immer eingemottet“, sagt ihr Mitarbeiter Holger Piwowar. Das Produkt sei zu wenig emotional, zeige mehr Häuser als Menschen. Zwar soll der Film auch Investoren anziehen, aber „in erster Linie soll er die Stadt für Touristen interessant machen.“ Warum dann die Wirtschaftsförderung federführend am Drehbuch beteiligt war? „Das haben wir jetzt geändert“, sagt Piwowar. Das Stadtmarketing sei jetzt nicht mehr bei der Wirtschaftsförderung angesiedelt, sondern direkt bei der OB.

Die Grünen wollen das Image von Remscheid jedoch nicht mehr von der Stadtspitze vertreten wissen: „Wenn die Bürger und Bürgerinnen diesen Film bezahlen sollen, müssen sie auch mitbestimmen dürfen, was da zu sehen ist“, so Beatrice Schlieper, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat. Sie habe daher Anfang der Woche im Rat einen entsprechenden Antrag gestellt.

Seit ein paar Tagen ist das corpus delicti auf der Website des Produzenten zu sehen. Die Stadtverwaltung hat ihn zwar gebeten, den Film zu entfernen. Doch gestern stand der „schwule“ Film noch im Internet. Womöglich als Druckmittel: Denn die fehlenden 20.000 Euro hat der Produzent bis heute nicht erhalten.